Faustrecht der Freiheit 1974
Filmliste Rainer Werner Fassbinder
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Regie und Produzent |
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Regie-Assistenz |
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Drehbuch |
Rainer Werner Fassbinder und Christian Hohoff |
Produktionsleitung-/firma |
Christian
Hohoff |
Kamera |
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Ausstattung |
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Musik |
Peer
Raben und Archiv |
FSK |
ab 18 Jahre |
Länge |
123 Minuten |
Sonstiges |
Der
Film trägt die Widmung: "Für Armin und alle anderen" |
Ur-/Erstaufführung |
30.5.1975 |
Genre |
Beziehung, Liebe, Homosexualität |
Filmbesprechung |
Darsteller |
Rolle |
Rainer Werner Fassbinder |
Franz Fox |
Eugen Thiess |
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Max |
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Rechtsanwalt |
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Klaus |
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Hans Zander |
Springer, Barbesitzer |
Wodka-Peter |
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Frau Thiess |
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Herr Thiess |
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Madame Cherie |
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Kitty Buchhammer |
Madame Isabell |
Hedwig, Schwester von Franz |
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Madame Antoinette |
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Philipp |
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Albine, Frau von Max |
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Arzt |
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Blumenverkäufer |
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Autohändler |
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Marokkaner |
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Frau im Reisebüro |
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US-Soldat |
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Sängerin |
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Lilo Pempeit (Liselotte Eder) |
Frau auf der Treppe |
Frau im Lottoladen |
Inhalt
Franz Biberkopf (RWF), wegen seiner Schaubuden-Nummer Fox genannt, verliert seinen Job auf dem Rummelplatz. Was bleibt ihm da übrig, als auf den Strich zu gehen? Dort wird er von einem Antiquitätenhändler aufgegabelt, der ihn wiederum mit dem Unternehmersohn Eugen bekanntmacht. Das Glück scheint Fox hold zu sein. Er gewinnt eine halbe Million im Lotto. Doch das Geld ist er schnell wieder los. Von seinem schicken Freund Eugen, der ihn in die kultivierte Großbürgerwelt einführt, wird er nach Strich und Faden ausgenommen. Fox kann sich noch so bemühen, der Klassenunterschied wird immer weiterbestehen. Obwohl einmal mehr mit dem Tod des Protagonisten endend, herrscht in diesem Fassbinder-Film vor allem im ersten Teil ein ungewohnt komödiantischer, witziger Ton vor. Lakonische, auf Pointen hin angelegte Dialoge, komisch zugespitzte Situationen und Ironie heben die sonst vorherrschende melodramatische Schwere auf.
(Quelle: Kino Xenix, Zürich)
In einem Interview auf dem Filmfestival in Cannes 1975 sagte Fassbinder über Faustrecht der Freiheit: "Es ist sicher der erste Film, in dem die Mitwirkenden Homosexuelle sind, ohne dass die Homosexualität zu einem Problem gemacht wird. Immer in Filmen, Theater oder Romanen, wenn Homosexuelle auftreten, war das Problem die Homosexualität, oder aber es war eine komische Nummer. Aber hier wird die Homosexualität als etwas ganz Normales gezeigt, und das Problem ist etwas ganz anderes, nämlich eine Liebesgeschichte, wo einer die Liebe des anderen ausnutzt, und das ist eigentlich die Geschichte, die ich immer erzähle." Die Hauptperson in Faustrecht der Freiheit ist ein kleiner homosexueller Gauner und Strichjunge, Franz Biberkopf. Seinen Vornahmen hat er mit den Hauptpersonen in Fassbinders ersten beiden Gangsterfilmen gemeinsam, und der ungewöhnliche Nachname geht natürlich auf Franz Biberkopf zurück, die Hauptperson von Döblins Roman Berlin Alexanderplatz, der einen ähnlichen Einfluss auf Fassbinders Produktion ausübte wie Fontanes Effi Briest. Effi Briest steht mit der ganzen Erziehungs- und Unterdrückungsproblematik in Verbindung, während Berlin Alexanderplatz auf eine andere Hauptspur in Fassbinders Produktion weist: die Geschichten on den kleinen Gangstern und ihren Mädchen. In Döblins ausladendem, aber zugleich packendem Roman ist Franz Biberkopf ein kleiner Gauner, der aus dem Gefängnis kommt und wie der Franz in Liebe - Kälter als der Tod eine problematische Beziehung zu einem Verbrechersyndikat hat. Er arbeitet am liebsten auf eigenes Risiko und bindet sich ungern, doch sein Selbstständigkeitsdrang kommt ihn teuer zu stehen. Wie Fassbinders Franz ist er gespalten zwischen seiner Liebe zu einer Hure, deren Zuhälter er ist, und seiner Freundschaft mit einem unzuverlässigen Kumpel, der für das Syndikat arbeitet. Diese beiden Abhängigkeitsbeziehungen tragen zu Franz Biberkopfs Zusammenbruch bei: der Freund bringt Biberkopfs Mädchen um - was Bruno in Fassbinders Debütfilm erfolglos versuchte...
(Quelle: Christian Braad Thomsen: Textauszug aus "Rainer Werner Fassbinder - Leben und Werk eines maßlosen Genies", Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg, 1993, Seiten 237-238, Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Geht man von der Bedeutung der Männerfreundschaften in seinen früheren Filmen aus, mag es überraschen, dass Fassbinder bis zu Faustrecht der Freiheit keine homosexuelle Liebesgeschichte direkt porträtierte. Weniger überraschend ist es dagegen, dass auch dieser Film dem Muster der ökonomischen und emotionalen Ausbeutung folgt, welches Fassbinder in seinen sozialen Melodramen entwickelt hatte. Franz Biberkopf (Fassbinder selbst), ein gutmütiger Homosexueller aus der Arbeiterklasse, der unter seinen Jahrmarktskollegen als "Fox, der tönende Kopf" bekannt ist, gewinnt bei einer Lotterie eine halbe Million Mark und findet sich plötzlich inmitten der reichen und glamourösen Schwulenszene wieder. Von der coolen Kultiviertheit seiner neuen Freunde verwirrt, verliebt sich Franz in den schlauen und attraktiven Eugen (Peter Chatel), den Sohn eines Druckereibesitzers (Adrian Hoven), der dringend Kapital benötigt. Vater und Sohn tun alles, um Franz um sein Geld zu erleichtern, indem sie ihn mal mit ihrer Aufmerksamkeit umschmeicheln, mal seine Ungebildetheit öffentlich bloßstellen. Als das Geld weg ist, ist es auch mit der Liebe vorbei. Am Ende schluckt Franz, jetzt obdachlos, eine Flasche Schlaftabletten. Als er in einer U-Bahn-Station stirbt, wird er von zwei Jugendlichen ausgeraubt.
Der Film wurde hauptsächlich aus zwei Gründen kritisiert: Zu plakativ werde die Botschaft an den Mann gebracht, dabei die Hauptfigur mitleidlos erniedrigt und das Publikum mit der fürchterlichen Unausweichlichkeit der Geschichte gequält. Andererseits sei die Darstellung des Schwulenmilieus arg klischeehaft geraten. Fassbinder sagte, er wolle den Zuschauer vergessen machen, dass der Film unter Männern spiele, und tatsächlich ist die satirische und grausame Schärfe des Films der Beschreibung bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Milieus in frühen Filmen wie Warum läuft Herr R. Amok? oder Händler der vier Jahreszeiten vergleichbar. In diesen Filmen waren Männerfreundschaften romantisiert worden, weil sie die Folie abgaben, die sichtbar machte, was Männer und Frauen einander antun. Wenn Sexualität als Barriere überwunden werden kann, bleiben immer noch diejenigen von Klasse und Ausbildung. Faustrecht der Freiheit zeigt keinen Ausweg, sieht man einmal von den wenigen Momenten der Zuneigung ab, die Franz von seiner Schwester erfährt, die diesmal nicht von Hanna Schygulla gespielt wird, sondern von Christiane Maybach. Fassbinder setzt zudem auf einen merklichen Bruch im Tonfall des Films: Der erste Teil besitzt ein derart sicheres Gespür für Komik, dass das selbstmitleidige Melodram des zweiten Teils, das Franz' unbegriffene Erniedrigung zeigt, den Zuschauer wie ein unangenehmer Schock trifft.
Man könnte Faustrecht der Freiheit als Fortsetzung und Spiegelbild von Die bitteren Tränen der Petra von Kant sehen, wobei die Perspektive zweimal umgestellt ist. In Petra von Kant werden die Mittelschicht-Neurosen der Titelfigur ausgebreitet, nicht aber die Unsicherheiten der Arbeiterklasse: Karin ist eine sexuell selbstsichere Frau, die sozialen Status und Klassenunterschiede mittels ihres guten Aussehens umgeht, was für Franz in Faustrecht der Freiheit offensichtlich unmöglich ist, während es dort die aalglatten Mittelschichts-Homosexuellen sind, die so tun, als ob sie die Klassenunterschiede ignorieren. Petra von Kant trägt folgende Widmung: Gewidmet dem, der hier Marlene wurde. Berücksichtigt man, das Faustrecht der Freiheit "für Armin und alle anderen" ist, dann hat es den Anschein, als spiele Fassbinder selbst in diesem Film seinen Freund und Geliebten Armin Meier, obwohl ihm nachgesagt wurde, er habe weit mehr mit dem manipulativen Eugen gemeinsam gehabt als mit Fox.
(Quelle: Thomas Elsaesser: Textauszug aus "Rainer Werner Fassbinder", Bertz Verlag GbR, Berlin, 2001, Seiten 448-449, Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 10. Oktober 2020
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Die beiden Kino-Aushangfotos wurden mir freundlicherweise von Einhorn-Film zur Verfügung gestellt.
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