Fontane Effi Briest
oder
Viele, die eine Ahnung
haben von ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen und dennoch das herrschende
System in ihrem Kopf akzeptieren durch ihre Taten und es somit festigen und
durchaus bestätigen
1972 - 1974
Filmliste Rainer Werner Fassbinder
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Regie |
Rainer Werner Fassbinder |
Drehbuch |
Rainer Werner Fassbinder (nach Theodor Fontane) |
Regie-Assistent |
Rainer Langhans und Fritz Müller-Scherz |
Produktion |
Tango-Film München |
Ausstattung u. Prod.-Leitg. |
Kurt Raab |
Kamera |
Dietrich Lohmann, Jürgen Jürges |
Musik |
Motive aus Havanaise Op. 83 von Camille Saint-Saens und Wiegenlied von Ludwig Spohr |
FSK |
ab 12 Jahre |
Länge |
141 Minuten |
Sonstiges |
Der Film wird fälschlicherweise
(bei Verleihern) nur "Effi Briest" genannt. |
Filmbeschreibung |
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Ur-/Erstaufführung |
TV-Ausstrahlung: 31.10.79 (ZDF) |
Genre |
Literaturverfilmung |
Darsteller |
Rolle |
Effi Briest |
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Baron Geert von Innstetten |
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Geheimrat
Wüllersdorf |
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Major Crampas (Synchronstimme: Wolfgang Hess) |
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Johanna (Synchronstimme: Margit Carstensen) |
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Liselotte Eder (Lilo Pempeit) |
Luise von Briest, Effis Mutter (Synchronstimme: Rosemarie Fendel |
Herbert Steinmetz |
Herr von Briest, Effis Vater (Synchronstimme: Fred Maire) |
Ursula Strätz |
Roswitha (Synchronstimme: Renate Küster) |
Gieshübler (Synchronstimme: Kurt Raab) |
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Rudolf Lenz |
Rummschüttel |
Marietta Tripelli, Sängerin |
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Karl Scheydt |
Kruse |
Hulda |
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Peter Gauhe |
Vetter Dagobrt |
Andrea Schober |
Annie (Synchronstimme: Eva Mattes) |
Inhalt
In vielerlei Hinsicht handelt es sich bei Fontane Effi Briest um einen weiteren klassischen Hollywood-"Frauenfilm", diesmal fast wörtlich auf dem bekannten Roman Fontanes basierend, der seinerseits durch Flauberts Madame Bovary und Tolstois Anna Karenina angeregt wurde. Die siebzehnjährige Effi (Hanna Schygulla), Tochter eines preußischen Kaufmanns, heiratet den zwanzig Jahre älteren Baron von Instetten (Wolfgang Schenck), einen Mann von unerbittlicher Prinzipientreue, nur um zu erfahren, dass seine Liebe zu ihr wesentlich pädagogischen Impulsen folgt. Instetten mietet sogar ein unheimliches Haus, um sich Effi durch Furcht zu unterwerfen. Ihr zufolge hat er "eine Art von kalkuliertem Angst-Apparat konstruiert". Unglücklich, aber im Banne des freundlichen Terrors ihres Ehemannes, hat Effi eine Affäre mit Major Crampas (Ulli Lommel), einem stürmischen jungen Offizier, der in der Kleinstadt einquartiert ist. Erst Jahre später erfährt Instetten vom "Schritt vom Wege" seiner Ehefrau. Als "Ehrenmann" fordert er den einstigen Rivalen zum Duell, tötet ihn, lässt sich von Effi scheiden und behält das gemeinsame Kind bei sich. Nach einem letzten Treffen mit ihrer Tochter, die Instetten gegen sie eingenommen hat, kehrt Effi ins elterliche Haus zurück, wo sie stirbt.
Offensichtlich weist Fontane Effi Briest viele Parallelen zu Martha auf und bietet zudem einen aufschlussreichen Kontrast zwischen der fiebernden Margit Carstensen und der eher matten Hanna Schygulla, die beide Opfer von Männern spielen, die aus einem arroganten Verständnis von rechtschaffenem Pflichtbewusstsein zu Sadisten werden. Aber die großen Ähnlichkeiten bezüglich der Handlung unterstreichen nur die Unterschiede beider Filme im emotionalen Ton und in ihrer Wucht. Gegenüber den leuchtenden und brennenden Farben von Martha ist Effi Briest in ausgesprochen nuancenreichem Schwarz-Weiß fotografiert, wobei jeder Übergang zwischen den einzelnen Szenen durch eine Weißblende bezeichnet ist, die an das Weiß leerer Seiten erinnert, so als erwüchsen die Bilder aus den Worten Fontanes, die Fassbinder selbst als voice-ober spricht. In Martha wird alle Ambivalenz auf die Protagonisten bezogen: Sind ihre Ängste real oder eingebildet? Das intensive Pathos von Fontane Effi Briest stammt aus einer anderen Quelle: der behutsamen Fairness gegenüber allen Figuren, insbesondere dem selbstquälerischen Instetten. Dies geschicht im Geist des Originals, das in den 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts spielt und äußerst bewusst auf den historischen Wandel reagiert: auf den Niedergang des preußischen Adels und den Aufstieg der städtischen Mittelklasse. Dass dieser Wandel anhand seiner Wirkungen auf die Familie und die Geschlechterbeziehungen dargestellt wird, ist typisch für Fontane, aber auch zentral für Fassbinders Blick auf die Geschichte.
(Quelle: Thomas Elsaesser: "Rainer Werner Fassbinder", Bertz Verlag GbR, Berlin, 2001, Seiten 447-448, Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Frühere Verfilmungen:
Der Schritt vom Wege, 1939 Regie: Gustaf Gründgens, mit Marianne Hoppe als Effi, Karl Ludwig Diehl, Paul Hartmann
Rosen im Herbst, 1955 Regie: Rudolf Jugert, mit Ruth Leuwerik, Bernhard Wicki, Carl Raddatz
Effi Briest, 1968 Regie:
Wolfgang Luderer, DDR, mit Angelica Domröse, Horst Schulze, Dietrich Körner
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 10. Oktober 2020
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Die beiden Filmaushangfotos wurden mir freundlicherweise von Einhorn-Film zur Verfügung gestellt. |