Satansbraten
1976
Filmliste Rainer Werner Fassbinder
Inhalt
Zentrale Figur ist der neurotisch-hysterische, ich-besessene Poet Walter Kranz. Zur Zeit der studentischen Aufstandsbewegung als "Dichter der Revolution" gefeiert, ist Kranz heute ein "Dichter in der Krise", ganz offensichtlich ein ausgebranntes Wrack. Sexuell frustriert, von Geldnöten gebeutelt, lebt Kranz, eingeklemmt in einen Haushalt mit der keifenden Ehefrau und einem debilen insektensammelnden Bruder, in kleinbürgerlichen Verhältnissen. Als nach langer Zeit der kreativen Verstopfung wieder ein Kunstwerk entsteht, ist es ein Gedicht, das, wie sich herausstellt, wortwörtlich von Stefan George stammt. Als Plagiator beschimpft, schafft sich Kranz in die Wahnvorstellung hinein, George zu sein bis hin zum Weihekult des hehren Künstlertums, zur Idee des Herrenmenschen und zum Versuch praktizierter Homosexualität. Einen Jüngerkreis stellt er aus gemieteten Strichjungen zusammen, und Andrée, eine ältliche Verehrerin, mit deren Ersparnissen er dies alles finanziert, macht er zu einem Bündel masochistischer Unterwerfungslust. Satansbraten ist eine wenig bekannte, überraschende Posse, die sich in rasendem Tempo über falsch verstandenes Künstlerdasein lustig macht. (Quelle: Kino Xenix, Zürich)
Die beiden Filmaushangfotos wurden mir von Einhorn-Film zur Verfügung gestellt
Margit Carstensens merkwürdigste, dennoch aber eigentümlich starke darstellerische Leistung bei Fassbinder ist ihre Rolle in Satansbraten. Sie spielt eine alte Jungfer, deren Gesicht von Warzen bedeckt ist und die sich masochistisch zu den Füßen des gescheiterten und frustrierten Schriftstellers Kranz (Kurt Raab) niederlässt. Kranz, der unter dem Pantoffel seiner Ehefrau steht und auch noch einen schwachsinnigen Bruder (Volker Spengler) versorgen muss, erfreute sich während der Studentenbewegung kurzzeitig des Ruhms als "Dichter der Revolution". Das erste Gedicht, das er nach einer lang andauernden Schreibblockade produziert, erweist sich als Plagiat von Stefan Georges Der Albatross. Kranz ist überzeugt, dass er die Reinkarnation Georges ist, und umgibt sich mit homosexuellen Prostituierten, um dessen "Kreis" zu imitieren. Seinen Lebensstil kann Kranz nur finanzieren, indem er bettelt und stiehlt. Als er von einem seiner Gläubiger zusammengeschlagen wird, entdeckt er die Freuden des Schmerzes. Dies inspiriert ihn zu seinem Bestseller "Der Faschismus wird siegen oder Keine Feier für den toten Hund des Führers".
Satansbraten, eine grausame, überdrehte Satire auf den Opportunismus der Kulturindustrie und den Narzissmus der Künstler, schockierte die Kritik durch seine Direktheit, seine schrille Vulgarität und durch die offene Gewalttätigkeit, allesamt Dinge, die einem selbstquälerischen Impuls des Filmemachers zugeschrieben wurden. Beim Wiedersehen erweist sich der Film als besser als sein Ruf, und dies nicht nur, weil er Kurt Raab eine Spitzenleistung abtrotzte. Es ist der seltene Versuch einer Komödie von einem Filmemacher, dem nachgesagt wird, er sei absolut humorlos gewesen, und Satansbraten zeigt Fassbinder, wie er sich selbst amüsiert, ohne dem Publikum oder den Schauspielern die Komik zu verraten. Doch es gibt auch Momente, die eienr surrealen Logik in Stil des späten Luis Buñuel folgen, wie die Szene, in der ein Polizist, der Kranz' mutmaßliche Rolle beim Sexualmord an einer reichen Dame der Gesellschaft untersucht, sich vom Tatverdächtigen zu einem gemeinsamen heißen Fußbad einladen lässt. In anderer Hinsicht erweist sich Satansbraten als Vorstudie zu Eine Reise ins Licht - Despair, weil hier das Thema vom Doppelgänger als historischer Figur eingeführt wird, vielleicht in Erinnerung an Marx' Diktum, dass diejenigen, die nicht aus der Geschichte lernen, verdammt sind, sie zu wiederholen - zunächst als Tragödie, dann als Farce. Als Porträt einer "verrückt" gewordenen Familie erinnert der Film zudem an Whity und Warnung vor einer heiligen Nutte, wo Fassbinder in der Rolle des Herstellungsleiters Sascha sagt: "Das einzige Gefühl, das ich akzeptieren kann, ist Verzweiflung!"
(Quelle: Thomas Elsaesser: "Rainer Werner Fassbinder", Bertz Verlag GbR, Berlin, 2001, Seiten 452-4453, Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 10. Oktober 2020
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