Whity
1971
Filmliste Rainer Werner Fassbinder
Inhalt
1878, irgendwo im Westen der Vereinigten Staaten. In einem Herrenhaus, das einem Mausoleum gleicht, residiert die Familie Nicholson: der Gutsbesitzer Ben Nicholson (Ron Randell), seine nymphoman veranlagte zweite Frau Katherine (Katrin Schaake) und die beiden Söhne aus erster Ehe, der homosexuelle Frank (Ulli Lommel) und der geisteskranke Davy (Harry Baer). Unterwürfiger Diener der Nicholsons ist Whity (Günther Kaufmann), ein illegitimer Sohn Bens. Selbstbewusstsein gewinnt der Schwarze erst, als nacheinander mehrere Mitglieder der Familie ihn auffordern, andere Familienmitglieder zu töten. Whity vollstreckt das Urteil, das die Nicholsons längst über sich gesprochen haben. (Quelle: Basis-Film Verleih)
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Die Handlung dieses Melodrams versetzte Fassbinder in das Jahr 1878 in den Südwesten Amerikas. Dort residiert die zerrüttete Familie Nicholson in ihrem Herrenhaus: der Gutsbesitzer Ben Nicholson (Ron Randell), seine nymphoman veranlagte zweite Frau Katherine (Katrin Schaake), die beiden Söhne aus erster Ehe, der homosexuelle Frank (Ulli Lommel) und der geisteskranke Davy (Harry Baer). Whity (Günther Kaufmann), der Diener der Familie und illegitime Sohn Bens mit der schwarzen Köchin des Hauses, leidet jedoch unter den Herrschaftsverhältnissen und findet nur in der Barsängerin Hanna (Hanna Schygulla) eine Vertraute, die er bewundert und heimlich liebt. In der Hoffnung, dass Whity die Ordnung der lähmenden Abhängigkeiten innerhalb der Familie durchbricht, animieren ihn die Mitglieder der Nicholson-Familie seinen Vater und seine Halbbrüder zu töten. Whity vollstreckt das Urteil, das die Nicholsons längst über sich selbst gesprochen haben und verlässt, vermeintlich befreit vom "herrschenden System der familiären Unterdrückung", gemeinsam mit Hanna die Kleinstadt. Aber die Freiheit führt sie in die Wüste – eine Hommage an Josef von Sternbergs MAROKKO aus dem Jahr 1930 – wo vermutlich nur der Tod auf die Liebenden warten kann. Für Fassbinder und das antiteater-Ensemble stellte dieser Film nicht nur eine räumliche und genreübergreifende Neuorientierung gen Hollywood dar, sondern auch eine künstlerische Entfremdung innerhalb der Gruppe. Diese musste sich nicht nur an internationale Drehverhältnisse gewöhnen, sondern auch an die beginnende Zusammenarbeit mit Fassbinders Kameramann Michael Ballhaus, ausländische Schauspielkollegen und finanzielle Schwierigkeiten des zum ersten Mal als ausführendem Produzenten tätigen Ulli Lommel. Nichtsdestotrotz: WHITY brachte Fassbinder zu einem neuen Umgang und Bewusstsein mit dem Medium Film, was er kurz darauf in seinem zehnten Spielfilm, WARNUNG VOR EINER HEILIGEN NUTTE (1970), reflektiv umzusetzen wusste. Und es führte zu weiteren Filmerfahrungen, allen voran die Auseinandersetzung mit den Melodramen Douglas Sirks, die sich dann in Film Nummer 13, HÄNDLER DER VIER JAHRESZEITEN (1971), meisterhaft niederschlugen. Seine Uraufführung erfuhr Fassbinders 1970 in Almeria, Spanien gedrehte und mit 680.000 Deutsche Mark bis dato teuerste Produktion WHITY am 2. Juli 1971 auf den 21. Internationalen Filmfestspielen Berlin. Eher verhalten vom Publikum aufgenommen, fand der Film jedoch keinen Verleih. Erst in den 80er Jahren wurde WHITY vom Privatsender Pro 7 zum ersten Mal einem größeren Publikum zugänglich gemacht. (RWF Fassbinder Foundation)
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"Meine
Filme handeln von Abhängigkeit" - Rainer Werner Fassbinder über seinen
Film WHITY
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Der Film konnte aus rechtlichen Gründen nie in die Kinos kommen und erlebte somit seine Erstaufführung 1989, 18 Jahre nach seiner Entstehung, im TV. Erst 1992 gelang es dem FILMVERLAG DER AUTOREN und der Rainer Werner Fassbinder Foundation die Kinorechte zu klären, so dass der Film 21 Jahre später erstmals auf die Leinwand kam. Ein Familiendrama um eine morbide Großgrundbesitzer-Familie im amerikanischen Süden, deren Mitglieder nichts sehnlicher als den Tod des Familienoberhauptes wünschen. Whity, der Butler der Familie, ein Mischling der zum Objekt der unterschiedlichsten Begierden degradiert wurde, führt das gewaltsame Ende der Familie herbei und flüchtet mit seiner Geliebten, einer Prostituierten, in den sicheren Tod. Der völlig untypische Fassbinder-Film ist kaum bekannt und ein Leckerbissen für jeden Fan! (Einhorn-Film)
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Fassbinder
sagt in einem Interview mit Christian Braad Thomsen: "Bevor
ich Whity machte, habe ich mir einige Filme von Raoul Walsh angesehen, besonders
Band Of Angels (1957, mit Clark Gable,
Yvonne de Carlo und Sidney Portier), der einer der schönsten Filme ist, die ich
je gesehen habe".
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Whity
war wohl Fassbinders erfolglosester Film. Die Uraufführung während der
Berlinale 1971 fand wenig Resonanz; Whity
blieb ohne Verleih, kam auch nicht ins Fernsehen. Die Gründe sind leicht zu
nennen. Die vorangegangenen Filme waren alle mit dem Anspruch aufgetreten, oder
zumindest so interpretiert worden, etwas über die Gesellschaft der
Bundesrepublik auszusagen, und sei es auch in verfremdeter Form. Mit Whity
bekannte sich Fassbinder nun zum ersten Mal uneingeschränkt zu Hollywood, und
auch noch zu Hollywoods verachtetstem Genre, dem Melodram.
Whity,
schrieb damals der Kritiker
Alf
Brustellin, nehme sich schon deshalb im
Wettbewerb der Berlinale komisch aus, "weil nahezu alle >Urfilme< zu
diesem Film niemals zu Festival-Ehren gelangten" (Süddeutsche Zeitung,
8.7.71). Man kann ergänzen: auch
nur selten zu Feuilleton-Ehren. (Quelle: "Rainer Werner Fassbinder", Peter W. Jansen/Wolfram Schütte, Fischer-Cinema TB, Nr. 11318, Frankfurt/Main, 1992)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 13. Oktober 2020
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