Dieter Schidor Regisseur - Darsteller - Produzent
Geboren am 6. März 1949 in Braunschweig. Gestorben am 17. September 1987 (AIDS).
Der jüngste Schauspieler und Regisseur in Personalunion ist Dieter Schidor, Doktor der Rechte. Nach dem Jura-Studium nach München gekommen, um Schauspieler zu werden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten bekam zufällig Peter Zadek ein Foto von Schidor in die Hände und verpflichtete ihn für den Film Piggies. Peter Lilienthal sah dann die Muster und engagierte ihn für seinen neuen Film Die Sonne angreifen. Dieter Schidor: "... so hat der Schnellball angefangen, daraufhin kam dann Staudte usw. ..."
Schauspielerei bedeutet für Schidor vor allem eine Menge Geld: "Deshalb habe ich dann nach Beendigung des Studiums auch keinen juristischen Beruf ergriffen." Dennoch gibt er zu, nicht mit Herz und Seele Schauspieler zu sein ("...einmal habe ich auch Theater gemacht mit Werner Schroeter. Das war komisch und witzig, aber mehr nicht.") Vor der Kamera war er dann meist in kleinen Rollen zu sehen, agierte als schüchterner, stiller und ruhiger Junge. Der erhoffte Auslandserfolg durch Costa Gavras' Film Die Liebe einer Frau blieb leider aus. Während der Dreharbeiten zu Steiner - Das Eiserne Kreuz entstand dann die Idee, zusammen mit Burkhard Driest, der dort auch engagiert war, eine Produktionsfirma zu gründen (Planet Film), da es "furchtbar war, die ganze Zeit da 'rumzuhängen". Offen gesteht Schidor auch Konflikte, die sich aus den verschiedenen Tätigkeiten als Darsteller, Produzent, Regisseur und auch als Kameramann ergeben. "Schauspielen ist für mich eine Form von Freiheit, auch finanzieller Freiheit.
"Das Produzieren kam für mich durch den Stoff Querelle, den ich schon während des Studiums kennengelernt habe und den ich unbedingt machen wollte." Nachdem er sich jahrelang um die Rechte bemühte und sie schließlich auch von Autor Jean Genet erhielt, schrieb Burkhard Driest zunächst ein erstes Drehbuch für eine amerikanische Produktion, die dann aber platzte. Schidor wollte anfangs Sam Peckinpah, Roman Polanski oder Sidney Lumet als Regisseur verpflichten, woraus jedoch nichts wurde. Werner Schroeter, der dann als Regisseur in Betracht kam, schrieb eine neue Fassung des Drehbuchs, woraufhin Schidor ausstieg und Fassbinder für den Film begeistern konnte. Dazu Driest: "Fassbinder hat dann das Drehbuch genommen und es nochmal geschrieben. Ich wusste, dass er mein Drehbuch nie mögen würde. In meinem Buch standen die männliche Härte, die Muskeln und die Kälte vielmehr im Vordergrund. Auch diese Sartre'sche, existentialistische Position, dass Querelle losgelöst von aller Moral tötet, weil er das will." Schließlich vermutet er sogar, "dass Fassbinder mich mit der Figur des Mario besetzte, damit ich sein Drehbuch lesen musste. Im Wagen sagte ich ihm dann einmal, dass ich nur meine Rolle gelesen habe, und das hat unsere Beziehung sehr verschlechtert."
Querelle ist die Geschichte eines gleichnamigen homosexuellen Matrosen, dessen Schiff in Brest vor Anker liegt. Querelle schmuggelt Rauschgift von Bord, bringt seinen Helfer Vic (Schidor) um, verschafft sich Zugang zur Unterwelt, verhilft seinem jugendlichen Mörder zur Flucht und hat ihn schon verraten, als dieser den Bahnsteig erreicht. Leutnant Seblon, sein Vorgesetzter, opfert sich schließlich für ihn, bevor Querelle als Bord des Schiffes den Hafen verlässt.
Genets Buch war lange Zeit verboten und wurde heimlich unter den Tischen der Bücherläden verkauft. Schidor lernte Fassbinder durch seinen Schauspielerkollegen Peter Chatel Mitte der 1970er Jahre in dessen Stammlokal "Deutsche Eiche" kennen. Zu der Fassbinder-Clique fühlte er sich jedoch nie richtig zugehörig. "Ich wollte das von Anfang an gerne und hab auch alles getan, damit ich ihn kennenlerne. Nach Satansbraten kam es jedoch zu einem Krach. Im letzten Jahr vor seinem Tod waren wir sehr eng zusammen, nicht in der Fassbinder-Clique, die ja damals schon aufgelöst war, sondern eher in einer Beziehung zwischen ihm und mir." Über seine Erfahrungen während der Arbeit an Querelle erzählt er, dass er sich "als Schauspieler in dem eigenen Film ziemlich ekelhaft" gefühlt hat. "Es kamen immer Telexe von Leuten, die Geld wollten, und ich stand da noch im Kostüm, musste irgendwo anrufen usw. Das würde ich nicht nochmal machen, das ist zu nervenaufreibend."
Während der Dreharbeiten inszenierte er dann einen Dokumentarfilm über die Entstehung von Querelle , interviewte Darsteller und Regisseur. Dieses letzte Interview mit Fassbinder sorgte im Nachhinein noch für Aufregung, da es lange Zeit nicht gesendet werden durfte. Ungewöhnlich ist an diesem Film, dass er viele unkommentierte Szenen enthält und verschiedene Interviewpartner auch nicht vorgestellt wurden. Für manche Leute ist es sicherlich auch von Nachteil, dass die Antworten verschiedentlich in englisch und französisch belassen und nicht übersetzt wurden. Dennoch hat der Film auf einigen Filmfestivals Preise errungen und erntete Kritikerlob. Schidor setzte vor allem Fassbinder damit ein Denkmal und nannte den Film Der Bauer von Babylon. "Ich wollte, dass jemand anders das macht", sagt Schidor, "Frank Ripploh z.B., der damals immer dabei war. Mit Wolf Gremm ging's dann nicht richtig, da habe ich mir gedacht, mach' ich's halt selber. Es war eine Entscheidung, die ohne viel Nachdenken erfolgte." (Quelle: Text mit Erlaubnis von Siegfried Tesche: "Die neuen Stars des deutschen Films", Heyne TB Nr. 78, 1985)
Von 1977 bis 1986 lebte Schidor mit dem neuseeländischen Schauspieler und Produzenten Michael McLernon zusammen. 1986 starb sein Partner Michael an AIDS. Schidor, der ebenfalls infiziert war, unternahm einen Selbstmordversuch, durch dessen Schwächung er 1987 an AIDS starb. Sein Grab befindet sich auf dem Querumer Friedhof in Braunschweig. (Quelle: Wikipedia)
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Rosemarie Kuheim |