E s

1966

 

Filmliste Ulrich Schamoni

 

  

  

Regie

Ulrich Schamoni

Drehbuch

Ulrich Schamoni

Regie-Assistenz

Heidi Rente (d.i. Heidi Geneé)

Schnitt

Heidi Rente (d.i. Heidi Geneé)

Produktionsleitung

Peter Geneé

Produktion

Horst Manfred Adloff Filmproduktion

Kamera

Gerard Vandenberg

Kamera-Assistenz

Dagmar Sowa

Musik

Hans Posegga

FSK

ab 16 Jahre

Länge

86 Minuten

Sonstiges

Erstverleih: Atlas Filmverleih GmbH

Es bei filmportal

Es bei wikipedia

FBW-Bewertung

-

Ur-/Erstaufführung

TV-Erstausstrahlung: 20.11.1969, ZDF

Genre

Drama

  

  

  

Darsteller

Rolle

Sabine Sinjen

Hilke Pohlschmidt

Bruno Dietrich Manfred Palm
Horst Manfred Adloff Manfreds Chef
Bernhard Minetti Kunde von Manfred
Harry Gillmann Vater Pohlschmidt
Inge Herbrecht Mutter Pohlschmidt
Werner Schwier Angler
Marcel Marceau Mann im Aquarium
Ulrike Ullrich Claudia
Tilla Durieux Tante des Chefs
Rolf Zacher Festredner
Robert Müller Hilkes Großvater
Will Tremper Kunde von Manfred in der Bar
Ernst Neubauer Senator
Pfarrer Wolfgang See Pfarrer
Ulrich Schamoni Claudias Mann
Bruno Michalk
Gudrun Gundelach
Ernst Jacobi
Josef Thuis
Annemarie Weber

                   

  

Inhalt

Berlin 1965. Manfred, 28, Assistent bei einem Grundstücksmakler, holt wieder einmal einen westdeutschen Kunden, der sich durch Ausnutzung der Berlin-Gesetze Steuervorteile verschaffen will, vom Flughafen Tempelhof ab. Weil er dachte, der Kunde käme mit Gattin, hat er Blumen gekauft. Weil er die Blumen nun schon mal hat, bringt er sie nach getaner Arbeit dem Mädchen, mit dem er glücklich zusammenlebt: Hilke, 23, Zeichnerin bei einem Architekten. Hilke freut sich, weil das schon ein ganzes Jahr nicht vorgekommen ist. Aber sonst und abgesehen von den üblichen kleinen Reibereien sind sie ganz vergnügt und zufrieden miteinander. Am Wochenende besuchen sie Hilkes Eltern in ihrem Schrebergarten oder gehen mit Freunden angeln. Einer ihrer Angel-Freunde philosophiert über den undisziplinierten Fortpflanzungstrieb der menschlichen Rasse: "Die Maßnahmen der Tiere reichen von einfacher Enthaltung bis überhaupt nicht mehr. Und die Menschen sind zu dumm dafür, die machen das nicht... Eigentlich haben das nur die Menschen und die Heuschrecken, dass sie so weit gehen, dass sie gar nicht mehr wissen, wie viele sie sind." Dann führt Manfred wieder zahllosen Kunden zahllose Grundstücke vor und führt flotte, smarte Verkaufsgespräche. Und Hilke zeichnet bei ihrem Architekten. Eines Abends erzählt Manfred seiner Freundin, er habe eine alte Bekannte getroffen, jetzt verheiratet, zwei Kinder, »...und das dritte eventuell schon unterwegs. Das Mädchen kann einem schon leid tun. Da hat sie eine jahrelange Ausbildung, war allein drei Jahre in der Lehre, hat während der ganzen Zeit kaum was zum Leben, weil es an der Penunse fehlt. Und dann, wenn sie es gerade geschafft hat, auf eigenen Füßen zu stehen, dann kriegt sie ihr erstes Kind, und dann kommt auch gleich das zweite; muss ihren Beruf an den Nagel hängen, geht mit den Kindern im Volkspark spazieren. Und warum das Ganze? Weil irgend so ein kleiner Trottel von Siemens nicht aufgepasst hat.« Hilke: »Vielleicht ist sie aber ganz glücklich?« Manfred: »Welcher halbwegs normale, im Leben stehende Mensch  kann denn dabei glücklich sein?« Hilke: »Wenn sie gerne Kinder hat?« Manfred: »Ich finde so was ja auch ganz putzig und schnuckelig und pusselig, aber dafür seine eigene Existenz aufgeben, sich in Abhängigkeit bringen...« Hilke ist schon einige Tage sehr unruhig, nach einigen weiteren Tagen vertraut sie einer Freundin an, dass sie schwanger ist. Manfred sagt sie nichts, weil der öfter solche Reden über das Kinderkriegen führt. Sie unternimmt einige dilettantische Versuche, ES loszuwerden. Manfred muss seinem Chef die unangenehme Verpflichtung abnehmen, dessen alte, aus dem Osten zu Besuch gekommene Tante zum Kreuzberger Friedhof zu begleiten. Unterwegs sagt die Alte: "...und plötzlich bin ich in einer fremden Welt... wie im Märchen: Der arme Vetter besucht den reichen Bauern. Und der Reiche freut sich, weil der Arme sich nicht sattsehen kann. Wir werden stets die armen Verwandten bleiben, so angesehen werden, so lange, bis wir von der Verwandtschaft nichts mehr wissen wollen. Sie hier und wir drüben." Während die Alte Gräber besucht, rechnet Manfred sicht aus, wieviel schöne Grundstücke dieser Friedhof hergäbe. Hilke sucht einen Arzt, der ihr helfen könnte. Die Unterredungen mit mehreren Ärzten verlaufen peinlich und vergeblich. Schließlich findet sie einen Arzt, der ES abtreibt. Manfred erfährt es, als es gerade passiert ist, ganz zufällig, in seinem Büro, durch ein Telefonat mit Hilkes Freundin, die glauben muss, dass er Bescheid weiß. Er eilt nach Hause, wo er Hilke völlig gebrochen vorfindet. Niedergeschmettert setzt er sich hin, nicht zu ihr ans Bett, sondern ein Stück weiter an den Tisch.

  

Ulrich Schamoni - Foto: Ziegler Film

Filmemacher Ulrich Schamoni, der leider im Alter von 58 Jahren an Krebs verstorben ist. Hier eine Szene aus "Abschied von den Fröschen", einem Dokumentarfilm, den die Tochter Ulrike Schamoni nach Aufzeichnungen ihres Vaters bearbeitet hat. Der Film kam 2012 in die Kinos. 

 

Foto: Ziegler Film

 

"Am 17. März fand im 'Atelier am Zoo' die Uraufführung des Erstlingsfilms von Ulrich Schamoni mit dem lapidaren und vieldeutigen Titel Es statt. Spätere Chronisten werden möglicherweise den 17.3.1966 als den Geburtstag des Neuen Deutschen Films feiern" (Kurt Habernoll, Suttgarter Zeitung, 22.4.1966). Auf jeden Fall wirkte das Erscheinen von Es wie eine Erlösung; es war nun etwas bewiesen, und zwar bewiesen mit einem von Publikum wie Kritik mit überwältigendem Zuspruch angenommenen Werk, was lange genug als zweifelhaft gelten musste: "Ulrich Schamoni hat mit Es bewiesen, dass man in diesem Land einen Film machen kann", und das in einer für einen Neubeginn ebenso günstigen wie beschwerlichen Kahlschlag-Situation: "In diesem Land Filme drehen, heißt im Jahre Null beginnen (Stuttgarter Zeitung), oder, wie Enno Patalas sagte: "Die Bundesrepublik ist auf ihre neue Welle so vorbereitet wie das zaristische Russland für die Oktoberrevolution" (Filmkritik).

  

Zu den wahren Geburtsfeiern des Neuen Deutschen Films aber wurden die Festivals von Cannes, Mai 1966, und Venedig, August 1966: Es von Schamoni, Der junge Törless von Schlöndorff und Nicht versöhnt von Straub in Cannes und Alexander Kluges Abschied von gestern in Venedig zeigten einer erstaunten und dann sehr schnell zu stürmischen Beifall hingerissenen Welt, dass es einen neuen Film in der Bundesrepublik gab, noch dazu als Kino von großer Vielfalt, nicht als Produkt einer Schule oder auf gemeinsame Zielsetzungen und Formvorstellungen eingeschworenen Bewegung, sondern als ein Sammelangebot völlig individualistischer Talente, deren Werke kaum etwas gemeinsam haben, außer der Tatsache, dass sie durch und durch deutsch sind (Wiener Arbeiterzeitung).

 

Wie verschiedenartig die Filme sind, ersieht man vielleicht am besten aus dem Umstand, dass sich ihre mit bestimmten deutschen Situationen zusammenhängenden Gemeinsamkeiten erst bei sehr genauem Hinsehen erschließen. Da kann einem dann nämlich Hilke, die Heldin von Es, wie die brave, angepasste, in der Wohlstandsgesellschaft verwurzelte Schwester von Kluges Heldin Anita G. erscheinen, die als Streunerin in dieser selben Gesellschaft überlebt und schließlich ihr ungewolltes Kind in dem Gefängnis zur Welt bringt, in das nach dem Recht dieser Gesellschaft der Arzt gehört, der das ungewollte Kind Hilkes abtreibt.

 

In Cannes konnte der ambitionsscheue Schamoni ("Ich wollte einen kleinen Film machen") mit den Musil- und Böll-Verfilmungen von Schlöndorff und Straub spielend mithalten. "Es gehört mit Der junge Törless und Nicht versöhnt zu der Trilogie, die die große Überraschung des Cannes-Festivals war und uns erstklassigen deutschen Film entdeckte. Dieser Film ist sympathisch, jung und mutig. Er ist nicht zimperlich, wenn es darum geht, sich mit dem deutschen Wirtschaftswunder anzulegen und, was in Frankreich noch niemand gewagt hat, die Grundstücksspekulation anzugreifen" (François Chevassu, Image et Son). 

Wie man hier schon sieht, wurde der Film draußen viel stärker als ein Stück deutscher Selbstkritik empfunden als das zuhause der Fall gewesen war. 

  

Statt der klugen Reden hat sich Ulrich Schamoni, geboren 1939 in Berlin als jüngster Sohn des Experimentalfilmers Victor Schamoni, aufgewachsen in Werl und Münster, Schauspielschule in München, Regie-Assistenzen bei Wilhelm Dieterle, Rudolf Noelte und anderen, schon immer lieber spektakuläre Streiche geleistet. Mit 19 Jahren schrieb er einen Roman "Dein Sohn lässt grüßen", der sofort nach seinem Erscheinen als jugendgefährdend indiziert wurde. Mit seinem ersten Kurzfilm Hollywood in Deblatschka Pescara verulkte er 1965 die Dreharbeiten zu Dschingis Khan in Jugoslawien, mit seiner Fernsehdokumentation Geist und ein wenig Glück 1965 die Bemühungen der Jungfilmer, ein Bein auf die Erde zu kriegen. Er selbst schaffte das mit dem Glück, in dem Bildhauer und Kunststoff-Fabrikanten Horst Manfred Adloff den Mann zu finden, der Es ohne Fördergelder finanzierte und produzierte, und mit dem Selbstvertrauen, der ihn unter Verzicht auf alle sogenannten "großen" Stoffe zu einer Story greifen ließ, wie sie abgegriffener kaum sein konnte: Schamoni macht wesentliche Unterschiede zwischen Altfilm und Jungfilm deutlicher als die gleichzeitig entstandenen Filme von Schlöndorff, Straub und Kluge, da er sich einer Thematik und eines Milieus bedient, die jahrelang von müden Routiniers in Dutzenden von Filmen bereits restlos heruntergewirtschaftet worden waren; nun mit dem Blick des Autorenfilmers Schamoni betrachtet, enthüllen sie zum ersten Mal ihre Wahrheiten. Dieser Blick wäre freilich kaum so frisch und durchdringend geraten, wäre er nicht durch die Kamera von Gerard Vandenberg (*10. März 1932 - 16. Januar 1999) gegangen. "Es ist falsch, ständig mit dem Auge zu fotografieren, denn man fotografiert mit dem Herzen, mit der Brust, mit den Hüften, mit allem. Und das ist, was Gerard Vandenberg zum Teil ausmacht", hat Peter Lilienthal einmal zum Rum des Holländers Vandenberg gesagt, der einer ganzen Generation junger Filmemacher da Sehen, "nicht nur mit den Augen" gelehrt hat und der nach dem erfolgreichen Durchwühlen des holländischen und des deutschen Undergrounds (Kristls Damm, Moorses Inside Out) mit Es in den regulären deutschen Kinos und Fernsehfilm einbrach, dessen Optik er bis heute wesentlich mitbestimmt. 

Für Es bekam Vandenberg 1966 einen Bundesfilmpreis, ebenso wie Ulrich Schamoni (Regie), Horst Manfred Adloff (Produktion), Sabine Sinjen (Hauptdarstellerin) und Bruno Dietrich (bester Nachwuchsschauspieler).

 

(Quelle: Robert Fischer / Joe Hembus DER NEUE DEUTSCHE FILM, Seiten 25-27 - Vielen Dank an Herrn Robert Fischer und Herrn Benjamin Hembus)

   

   

  

  

  

   

  

 

 

 
   

  

  

   

    

    

    

    

   

   

    

   

   

  

Layout: Rosemarie Kuheim

Bearbeitet: 14. Dezember 2020

  

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