Götter der Pest 1969/70
Filmliste Rainer Werner Fassbinder
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Regie |
Rainer Werner Fassbinder |
Drehbuch |
Rainer Werner Fassbinder (unter Mitarbeit von Michael Fengler) |
Regie-Assistent u. Bauten |
Kurt Raab |
Produktion |
antiteater, X-Film |
Kamera |
Dietrich Lohmann |
Kamera-Assistent |
Herbert Paetzold |
Musik |
Peer Raben |
FSK |
ab 18 Jahre |
Länge |
91 Minuten |
Sonstiges |
- |
Filmbeschreibung |
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Ur-/Erstaufführung |
Wien 4. April 1970 (Viennale) / TV-Erstausstrahlung am 8. August 1972 |
Genre |
Thriller |
Darsteller |
Rolle |
Franz |
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Joanna |
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Margarethe |
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Günter Kaufmann |
Günter |
Carla Aulaulu |
Carla |
Magdalene Fuller |
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Jan George |
Inspektor |
Marian Seidowski |
Marian |
Yaak Karsunke |
Kommissar |
Micha Cochina |
Joe |
Hannes Gromball |
Chef des Supermarktes |
Lilith Ungerer |
Mädchen im ersten Café |
Katrin Schaake |
Wirtin im zweiten Café |
Lilo Pempeit |
Mutter |
Rainer Werner Fassbinder |
Pornokunde |
Barkeeper (Gastrolle) |
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Doris Mattes |
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Bargast (Gastrolle) |
Inhalt Götter der Pest ist gleichermaßen eine Variation und eine Fortsetzung von Liebe ist kälter als der Tod. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis besucht Franz (nun gespielt von Harry Baer seine alte Freundin Joanna (Hanna Schygulla) und entdeckt, dass sein Bruder erschossen wurde. Franz verlässt die besitzergreifende Joanna zugunsten der gleichgültigen Margarethe (Margarethe von Trotta), doch lieber noch ist er in Begleitung von "Gorilla" (Günther Kaufmann) und Joe (Micha Cochina), einem alternden Gangster. Die Männer planen den Überfall auf einen Supermarkt, die beiden sitzengelassenen Frauen verraten sie an die Polizei. Bei dem stümperhaften Überfall wird Franz erschossen, doch er wird von "Gorilla" gerächt, der die Pornohändlerin (Carla Aulaulu) erschießt, die Joanna vom geplanten Überfall erzählt hatte. Danach erliegt er selbst seinen Verletzungen. Die überlebenden Frauen trauen an Franz' Grab.
(Quelle: Thomas Elsaesser: "Rainer Werner Fassbinder", Bertz Verlag GbR, Berlin, 2001, Seite 427, Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Die erste Begegnung zwischen Franz und Joanna in ihrer Garderobe ist in einem Spiegel gefilmt. Zum erstenmal verwendet Fassbinder hier sein später so häufig eingesetztes visuelles Symbol, um eine Spaltung oder Doppeltheit auszudrücken. Das Spiegelbild gibt ihrer Begegnung eine bedrohliche Dimension. Man ahnt, dass die beiden kaum zusammenhalten werden, dass ihre Beziehung schon gespalten ist.
Franz zieht dann auch schnell bei Magdalena Fuller ein, ohne dass seine Leidenschaften sich deswegen wecken ließen. er ist der lebensmüdeste aller müden Verlierer Fassbinders, und zwischen ihm und Magdalena spielt sich ab, was wohl die leidenschaftsloseste und resignierteste Liebesszene der Filmgeschichte ist: Mühsam und ohne dass Franz die geringste Anstrengung unternimmt, muss sie ihm alle Kleider ausziehen. Erst, als er später seinen alten Freund Günther trifft, tauschen die beiden Männer eine Umarmung aus, die eine gewisse Leidenschaft und Lebensfreude enthält. Das Verhältnis zwischen Franz und Günther erinnert ein wenig an das Verhältnis zwischen den beiden Männern des Debütfilms und das zwischen Franz und Reinhold in Berlin Alexanderplatz: Günthers Vergangenheit ist reichlich undurchsichtig, u.a. hat er Franz' Bruder getötet. Trotzdem liebt Franz ihn, und gemeinsam planen sie einen Überfall auf einen Supermarkt. Mittlerweile ist noch ein drittes Mädchen, Margarethe, scharf auf Franz, und vor Eifersucht und enttäuschter Liebe verraten Joanna und Margarethe der Polizei die Pläne der Männer.
Joannas Verrat geschieht charakteristischerweise im Bett des Polizisten und ist nicht Bosheit, sondern frustrierter Liebe zuzuschreiben. Kaltblütig erschießt der Beamte später Franz im Supermarkt, und auch diese brutale Gewalttat erscheint als Resultat einer frustrierten Liebesfähigkeit. Er ist Stammkunde bei der Pornohändlerin, die Informationen für Geld liefert. Günther kann schwerverletzt aus dem Supermarkt entkommen, und während seiner Flucht wird er auf eine Art gefilmt, die Fassbinder Anlass gibt, noch eines seiner bevorzugten visuellen Symbole zu präsentieren: die Puppen. Günther wankt über den Bürgersteig davon und wird vor dem Hintergrund leuchtender Schaufenster gezeigt, in denen u.a. ein Mädchen in weißem Brautkleid zu sehen ist. Die Puppe drückt aus, worauf Fassbinders Filmpersonen von ihrer Umwelt reduziert worden sind. In diesem Film tritt das Symbol fast zufällig auf, später wurde es vertieft, um schließlich Hauptthema seiner Science fiction- Fernsehserie Welt am Draht zu werden.
Als sich Günther tödlich verletzt zu der Pornohändlerin schleppt, um ihren Verrat zu rächen, wird auch sie in einer Spiegelszene gefilmt, die ihr Doppelspiel entlarvt. Wir sehen sie erst allein vor dem Spiegel, wie sie eine schöne, etwas wehmütige Liebesballade singt, ein Ausdruck ihres Traums von der Liebe, die bis in den Tod hält: "Hush, hush, sweet Charlotte, he loves you till he dies." In Fassbinders späteren Filmen stimmen seine Hauptpersonen in den trostlosesten Augenblicken immer wieder ein Lied an, um dem erdrückenden Alltag eine letzte, beschwörende Geste entgegenzuhalten. So auch hier, aber als der Gesang vorbei ist, entlarvt das Spiegelbild die Hilflosigkeit der Geste: Die Pornohändlerin sieht hinter ihrem eigenen Spiegelbild Günther in der Tür stehen, und bevor er sie erschießt, erklärt sie ihren Verrat damit, dass sie das Geld gebraucht habe, "weil ich schön sein muss für die anderen". Nachdem Günther sie erschossen hat, sinkt er selbst um. Seine letzten Worte lauten pathetisch: "Life ist very precious, even right now."
Auch Götter der Pest zeigt in seinen zentralen Szenen, dass Liebe unter gewissen Bedingungen kälter als der Tod sein kann. Die Schaufensterpuppe im Brautkleid im selben Bild wie der tödlich verletzte Günther deutet auf ganz surrealistische Weise an, dass eine Vermählung mit dem Tod bald bevorsteht, und die Hochzeit wird im Schlussbild vollzogen, als Joanna und Margarethe stumm schluchzend an den Gräbern der beiden Männer stehen.
(Quelle: Christian Braad Thomsen: "Rainer Werner Fassbinder - Leben und Werk eines maßlosen Genies", Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg, 1993, Seiten 98-101, Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 10. Oktober 2020
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Die beiden Filmaushangfotos wurden mir freundlicherweise von Einhorn-Film zur Verfügung gestellt.
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