Haus ohne Hüter
1975
Inhalt Eine vom katholischen Milieu geprägte rheinische Stadt Anfang der fünfziger Jahre. Noch sind die Wunden des Krieges nicht geheilt. Insbesondere tragen jene Familien, deren Ehemänner und Väter im Kriege gefallen sind, schwer an der Vergangenheit.
Von zwei solchen Familien der nach dem Roman von Heinrich Böll gestaltete Fernsehfilm. In zwei Parallelhandlungen, verbunden durch die Freundschaft der Kinder, erleben wir das Schicksal von Kriegswitwen und -waisen. Die Familie Bach ist von gut bürgerlichem Zuschnitt. Eine Marmeladenfabrik bürgt für materielle Sicherheit. Anders bei der proletarischen Familie Brielach. Hier hat der Tod des Ernährers der Familie die Sorge ums tägliche Brot ins Haus gebracht. "Onkel" haben in beiden Familien die Stelle der gefallenen Männer eingenommen. Bei Brielachs ist es "Onkel" Leo, ein brutaler und egoistischer Typ, der es nicht verwinden kann, dass Frau Brielach das Kind, das er ihr machte, nicht abtreiben ließ, und für das er jetzt zahlen muss. Leo, der Straßenbahnschaffner, ist nur einer in der Reihe von "Onkeln", die ihm vorangegangen sind, seit Frau Brielachs Mann im Sommer 1942 an der Ostfront den "Heldentod" fand. Auf der Suche nach materieller Sicherheit für sich uns ihre Kinder, aber auch nach Geborgenheit und Güte geht Frau Brielach mit dem verheirateten Bäcker, bei dem sie in Arbeit und Lohn steht, eine neue Onkelehe ein. Nur zu bald muss sie erkennen, dass auch dieser Wechsel ihre Probleme nicht lösen wird.
Einen "Onkel" gibt es auch in der Familie Bach. Als Freund des 1942 bei Kalinowa gefallenen Dichters Raimund Bach lebt Albert schon seit Jahren im Hause an der Seite der jungen Witwe Nella und ihres elfjährigen Sohnes Martin. Für Martin ist Albert ein zweiter Vater. Um ganz für ihn sorgen zu können, würde er auch Nella heiraten. Doch der Tote steht zwischen ihnen. Nella ist nicht bereit, noch einmal eine Ehe einzugehen, und eine Onkelehe lehnt Albert um des Kindes willen ab.
Nella lebt ganz in der Vergangenheit, aus der Bahn geworfen durch den Tod ihres Mannes. Es ist ein Tod, der besonders sinnlos war, verursacht durch einen blutjungen Leutnant namens Gäseler, der ihren Mann aus kleinlicher Rache zu einem Himmelfahrtskommando befahl. Die Leere ihres Witwenlebens füllt Nella nun aus mit Besuchen von Zirkeln und Veranstaltungen, wo katholisch-konservative Kulturkreise das lyrische Werk des christlich-antifaschistischen Dichters Raimund Bach als das Werk eines der ihren feiern. Auf einer dieser Veranstaltungen lernt Nella zufällig auch den Redakteur eines katholischen Wochenblattes namens Gäseler kennen, eben jenen Mann, der den Tod ihres Mannes mutwillig verschuldet hatte. Zunächst glaubt Nella, der Hass würde sie befähigen, Gäseler zu töten. Doch dann muss sie erkennen, dass sie leergebrannt ist, dass sie nicht wirklich hassen kann, dass es auch nicht lohnt, einen intelligenten Dutzendtyp wie Gäseler tödlich zu hassen, dass man Leute wie ihn nur verachten kann.
In dieser düsteren, wenig hoffnungsvollen Erwachsenenwelt sammeln die vaterlosen Kinder ihre ersten Lebenserfahrungen, versuchen sich zurechtzufinden in einer Welt, in de für sie ein Onkel Leo und ein Onkel Albert Realität sind und die Väter auf den Bildern schattenlose Schemen bleiben. Der elfjährige Heinrich Brielach nimmt teil an der materiellen Not der Familie; er weiß, was es heißt, wenn seine Mutter eine notwendige Zahnoperation nicht leisten kann. Er erlebt die täglichen Demütigungen, die sie von Onkel Leo hinnehmen muss. Obszöne Worte, die Martin, den Freund aus bürgerlichem Hause, tief erschrecken, gehören zum Alltag des Lebens.
"Unmoralisch" und "unschamhaft" sind die zentralen Kategorien aus dem Katechismusunterricht, an denen die Freunde, vor allem Martin, ihre frühen Lebenserfahrungen messen. Dem vaterlosen Unglück kommen sie freilich mit den angelernten Katechismusweisheiten nicht bei. Wenn Heinrich jedoch durch die ungleiche Behandlung in der Schulklasse am eigenen Leibe erfährt, dass es für das gesellschaftliche Ansehen von vaterlosen Kindern einen Unterschied macht, ob die Mutter arm ist, wie seine, oder Geld hat, wie die Mutter seines Freundes Martin, so hat er wohl ein Stückchen von dem Leben begriffen, das ihn im Zeichen des Wirtschaftswunders erwartet.
(Quelle: Broschüre Das Fernsehspiel im ZDF, Dezember 1974 - Februar 1975, Seiten 22/23, herausgegeben vom Zweiten Deutschen Fernsehen, Informations- und Presseabteilung)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 27. Dezember 2020
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