Martin Luther 1983
Inhalt
Im Jahr 1983 jährt sich zum fünfhundertsten Mal der Geburtstag des deutschen Reformators. Das zweiteilige Spiel präsentiert Stationen aus seinem Leben, um dem Zuschauer die Fragen verständlich zu machen, die den Mönch und Professor aus Wittenberg umgetrieben haben. Dabei werden Konflikte deutlich, die den lange zurückliegenden und doch bis heute nachwirkenden Streit bestimmten. Alle Szenen werden im Raum der Lorenzkirche zu Nürnberg gespielt. Die Handlung gerät so zum sinnbildhaften Welttheater, in dem auch diejenigen historischen Gestalten unmittelbar aufeinandertreffen, die sich zu Lebzeiten nicht oder doch nicht so, wie im Spiel gezeigt, begegnet sind. Auch die Geschlossenheit eines von nun an verblassenden Weltbildes wird so sichtbar, in dem die Kirche in allem und hinter allem die Gemeinschaft der Glaubenden beherrscht als eine die ganze Wirklichkeit bestimmende wie heiligende Realität.
Der erste Teil des Films zeigt Luther vor der Spaltung, die er sicherlich so nicht gewollt und möglicherweise auch nicht so, wie wir sie heute empfinden, gesehen hat. Nicht Lust an der Kritik bewegte diesen Mann, sondern die Frage, wie er eines Gottes gewiss wird, auf den er sein Vertrauen setzen kann.
Diese Sorge treibt ihn ins Kloster zu Erfurt, sie lässt ihm auch dort keine Ruhe, und selbst die wohlmeinenden Ordensbrüder und Vorsteher können ihm nur wenig helfen. Die Auseinandersetzung mit dem Dominikanerprediger Tetzel zeigt Luther nicht als Provokateur. Vielmehr fühlt er sich verpflichtet, sein Vorgesetzten über Missbräuche zu informieren, die abzustellen seiner Meinung nach deren Aufgabe ist. Dass seine loyalen Eingaben dann weit über den Kreis der angesprochenen Amtsträger hinaus Aufsehen erregen, ist von ihm keineswegs beabsichtigt.
Doch die Verantwortlichen begreifen nicht, worum es dem Theologen aus der fernen Universitätsstadt geht. Sie empfinden den Vorgang als unzumutbare Belästigung, als Wichtigtuerei eines Subalternen. Ahnungslos versuchen sie, den Fall routinemäßig im Geschäftsgangverfahren zu erledigen. Sie sind schuld an der sich verhärtenden Kritik Luthers, da sie diese in ihrem Grund nicht erfassen: Erzbischof Albrecht in Mainz, der Geld braucht, um die Schulden abzuzahlen, in die ihn seine Ämterhäufung gestürzt hat, und der Papst, der darauf sinnt, wie er als anerkannter Mäzen Rom mit weiteren Kunstwerken schmücken kann.
Einer indes nimmt Luther ernst: Kardinal Cajetan, als päpstlicher Legat auf dem Augsburger Reichstag, vernimmt den Augustinerpater, dessen Schriften er genau gelesen hat. Aber das Gespräch bringt keine Konfliktlösung. Hofft der Kirchenfürst, Luther mit den Konsequenzen seines Denkens zurückzuschrecken, so erreicht er gerade das Gegenteil: Der deutsche Professor durchaus bereit, für die Folgen einzustehen. Hat er A gesagt, wird er nun auch B sagen. Er ist Prinzipienreiter, und dies hat der Kardinal zu spät erkannt. Der Konflikt verschärft sich.
Am Ende wird Luther, inzwischen mit dem Kirchenbann belegt, vom Kaiser vorgeladen. Wiederum wird der Ordensmann falsch eingeschätzt. Kompromisse sind nicht seine Sache, so zurückhaltend er sich sonst auch gibt. Sein eigentlicher Widerpart aber, der Kaiser, erweist sich ebenfalls als ein Verfechter von Grundsätzen. Mögen seine geistlichen Ratgeber auch politische Rücksichten ins Feld führen, er, der Repräsentant weltlicher Macht, denkt an keine Konzessionen, wenn es um den Glauben geht. Der Kaiser ächtet Luther.
Der zweite Teil des Films zeigt den Reformator auf dem Weg, den er eingeschlagen hat, ohne den Segen von Kaiser und Papst, geächtet und gebannt, im Vertrauen allein auf das Wort der Schrift: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Aber auf seinem Weg begleiten ihn viele, denen er die Richtung weisen und Zuspruch bei den Beschwernissen des Marsches geben muss, die er aber auch vor Irrwegen, die nach wie vor drohen, zu warnen hat. Fürs erste zu seiner Sicherheit auf der Wartburg untergetaucht, erfährt er nur zu bald, dass die neue Gemeinde, die sich auf ihn beruft, dringend seine Hilfe braucht. Karlstadt, Anhänger und Professorenkollege in Wittenberg, hat alle Duldsamkeit gegenüber Andersdenkenden fahren lassen. Er muss zur Vernunft gebracht werden, wenn nicht viele Gläubige an der neuen Bewegung irre werden sollten.
Aber solche innerkirchlichen Probleme der jungen reformatorischen Gemeinde sind gering, verglichen mit der Auseinandersetzung, die ihm sein ehemaliger Schüler und jetziger Gegner Müntzer aufzwingt: Kann und darf das Evangelium unmittelbar zur politischen Handlungsmaxime werden? Darf im Namen der frohen Botschaft Christi die Revolution verkündet werden? "Der Kampf des Christen liegt im Wort", sagt Luther. "Das Evangelium muss gesellschaftliche Wirklichkeit werden", sagt Thomas Müntzer. Das Volk hält sich an denjenigen, der ihm mehr zu verheißen scheint.
Von den misstrauischen Fürsten beargwöhnt und von den Bauern verachtet, erfährt Luther Unverständnis und Einsamkeit. Die Heirat mit der Ex-Nonne Katharina tut das ihre, sein Ansehen zu schmälern. Der Reformator spürt, wie auch die wohlmeinendste Reform ihre Schattenseite hat, wie jede noch so reine Absicht missbraucht werden kann und wie sein guter Wille allein nicht ausreicht, wenn er auch in Bereichen zu Stellungnahmen gefordert wird, in denen er sich nicht auskennt. Der Skandal um die Doppelehe des ihn fördernden Landgrafen ist Wasser auf die Mühle seiner Gegner.
Mit dem Wort hat er die Wahrheit zum Siegt verhelfen wollen, mit Truppen rückt der Kaiser heran, den neuen Glauben auszumerzen. In dieser Welt wird die Vollendung nie zu schaffen sein; was bleibt, ist das feste Vertrauen auf das Wort der Schrift. Und es ist die Arbeit an diesem Wort und seiner Verkündung, die dem alten Reformator Halt und Trost schenkt. (Franz Neubauer)
(Quelle: Broschüre Das Fernsehspiel im ZDF, März - Mai 1983, herausgegeben vom Zweiten Deutschen Fernsehen, Informations- und Presseabteilung)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 27. Dezember 2020
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