Der Angestellte 1972
Inhalt Klaus Thieme ist Systemanalytiker. Er arbeitet in einem Betrieb der gummiverarbeitenden Industrie. Der Zustand des Betriebes befriedigt ihn nicht. Er hält ihn für rückständig, unmodern, unrationell. Klaus Thieme möchte wissenschaftliche Methoden auf den Betrieb anwenden, um ihn auf die Höhe der Zeit zu heben. Er arbeitet einen Plan aus, der die Einführung der elektronischen Fertigungssteuerung vorsieht. Die Vorgesetzten finden Gefallen daran, weil sie sich Vorteile davon versprechen: Herr Abteilungsleiter Kirsch hofft, Prokurist zu werden, Herr Direktor Bruchmüller hat die Perspektive, mit diesem Plan in den Vorstand aufzurücken. Zu den Sitzung, auf der über den Vorschlag beschlossen wird, war Klaus Thieme nicht geladen, aber auch ohne ihn ist die Entscheidung positiv. Thieme stürzt sich in die Arbeit: die Ermittlung des Ist-Zustandes, die Formulierung des Soll-Zustands - Thieme ist in seinem Element, weil er seine Arbeit liebt. Er hat kein Abitur, er hat nicht studiert, sein Wissen hat er sich in der Praxis und in Abendkursen erworben. Er sagt von sich: Ich bin qualifiziert. Quentin, der Leiter der EDV, warnt ihn vor allzu großem Optimismus. Er sieht in den Rationalisierungsmaßnahmen, solange sie von den Arbeitern nicht kontrolliert werden, ein weiteres Mittel, um das Produkt ihrer Arbeit ihnen noch fremder werden zu lassen und ihren relativen Freiheitsspielraum weiter einzuengen. Thieme versteht nicht, wieso ein Angestellter sich um die Probleme der Arbeiter kümmert. Er hat sich der ökonomischen Effektivität und der Rationalität verschrieben. Er glaubt daran, dass schließlich nur noch der Qualifizierte Erfolg haben wird. Die Überlegungen des Herrn Quentin kommen ihm vor wie eine Art Maschinenstürmerei.
Die Firma fusioniert mit einem großen Gummi- und Chemiekonzern. Der Vorstand wird bis auf einige bewärte Herren ausgewechselt. Zu ihnen gehört Herr Kirsch, der sich durch den Vorschlag, die Fertigungssteuerung mit Hilfe der EDV einzuführen, den neuen Herren gegenüber ein gutes Entrée verschaffen konnte. Zum Dank erhält er Prokura. Allerdings rationalisiert der Konzern auf seine eigene Weise. Zunächst sollen dreißig Arbeiter entlassen werden. Quentin organisiert mit den Arbeitern einen Solidaritätsstreik. Er fordert Thieme auf, sich anzuschließen. Aber man hat ihn unter einen solchen Zeitdruck gesetzt, dass er sich nur mit Hilfe von Wachtabletten aufrechthalten kann. Ihn interessiert der Streik nicht. Er braucht die Unterlagen von Quentin. Der Streik ist nicht sein Streik.
Mit der EDV-Anlage des Konzerns bestens vertraut, übernehmen die studierten, weltgewandten Herren von der Computerfirma auf die Anlage dieses Betriebes. Thiemes Arbeit war vergebens. Gegenüber dieser Macht des technischen know-how ist er hilflos. Aber er passt sich nicht an. Er kämpft für seine Arbeit, um dem Lohn für seine Arbeit. Er hatte alles, sein Wissen, seine Fantasie, seine Gesundheit und sein Privatleben in den Dienst dieser Aufgabe gestellt. Er hat seine Arbeit und seine Firma geliebt, von der er sich nun betrogen, ja missbraucht und sadistisch misshandelt fühlt. Er sieht sich als Opfer eines brutalen Komplotts. Für ihn sind sämtliche Maßstäbe verrückt worden, und er wehrt sich gegen den Vorwurf, nun selbstm verrückt, paranoid geworden zu sein. Thieme wird entlassen.
(Quelle: Broschüre Fernsehspiele Westdeutscher Rundfunk, Jan. - Juni 1972)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 19. Juni 2022
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