Eugenie Marlitt und Die Gartenlaube (Geschichten um eine alte Illustrierte) 1982
Inhalt
Das "Illustrierte Familienblatt", das später zum Inbegriff einer verkitschten Scheinwelt wird, zur Lieblingslektüre für das Lieschen Müller von Anno dazumal, hat eine Vergangenheit, die man heute nicht mehr hinter dem Klischee "Gartenlaube" vermutet.
Die Idee zur Gründung einer neuen, gemäßigt fortschrittlichen Zeitschrift kommt dem 35jährigen Ernst Keil Anfang Oktober 1852 in Zeile 47 des sächsischen Landesgefängnisses Hubertusburg. Dort hat er wegen "Pressvergehens und umstürzlerischer Tätigkeiten" sechs Monate Haft verbüßen müssen, denn er ist ziemlich unverblümt über Metternichs Politik hergezogen und hat aus seinen Sympathien für die badischen Achtundvierziger nie einen Hehl gemacht. Nach seiner Entlassung setzt Keil seine Idee mit Feuereifer in die Tat um. Schon im Januar 1853 kann die erste Nummer der "Gartenlaube" erscheinen.
Das neue Unterhaltungsblatt entwickelt sich schon bald zum ersten deutschen Massenmedium. Das Konzept ist denkbar einfach: Belehrende Texte sind so abgefasst, "dass sie der gewöhnliche Handwerker, besonders aber die Frauen verstehen können". Der beschauliche Stil, die Aufgeschlossenheit für Neues und Unbekanntes, die Reiseschilderungen Friedrich Gerstäckers, populärwissenschaftliche Beiträge, die maßvolle Entrüstung, mit der man soziale Mißstände anprangert, und der sanfte Protest gegen Standesdünkel verfehlen ihre Wirkung bei den Leserinnen und Lesern nicht.
Der Film erzählt einige Schlüsselepisoden aus der Geschichte der "Gartenlaube", ihres ersten Verlegers und seiner Erfolgsautorin Eugenie John-Marlitt: Das Familienblatt hat das erste Jahrzehnt seiner Existenz gut überstanden. Ernst Keils Wochenblatt erfreut sich einer steigenden Zahl von Abonnenten und wird von der Obrigkeit - wenn auch mit Argwohn - geduldet. Allerdings gibt es Rückschläge. Ein Bericht über den mysteriösen Untergang der preußischen Korvette "Amazone" führt zum Verbot der Zeitschrift in Preußen - und zum Verlust von 25000 Abonnenten. Keil versucht, seinem Blatt neue Leser zu gewinnen, indem er "Die zwölf Apostel" herausbringt, eine Novelle, die ihm Eugenie John unter dem Pseudonym E. Marlitt zugeschickt hat. Nach dem freundlichen Echo erscheint ihr Roman "Die Goldelse". Der Erfolg ist überwältigend, und damit wird E. Marlitt 1966 "das Tüpfelchen auf den i der Gartenlaube".
Zur Zeit ihres ersten Verlegers Ernst Keil spiegelt die Zeitschrift die politische Entwicklung im anfangs geeinten liberalen Lager unter dem zunehmenden Einfluss Bismarcks wider. Während der linke Flügel der Liberalen sozialen Reformen den Vorrang gibt, tendiert der rechte dazu, die Bismarcksche Einigungspolitik zu unterstützen. 1866/67 kommt es zum Bruch. Die Nationalliberalen trennen sich von der Deutschen Fortschrittspartei, den späteren Freisinnigen.
Keil, der zeitlebens für die Erlangung der Freiheit und Einheit eingetreten ist, sieht sein Ziel 1871 erreicht. Doch er versteht sich nach wie vor als Vermittler "zwischen dem idealen Erbe der achtundvierziger Volkserhebung und der Gegenwart". Noch kurz vor seinem Tode bereitet er Aufsätze über Robert Blum und Otto von Bismarck vor. Den großen Erfolg seiner Zeitschrift - um 1878 fast 400 000 Abonnenten - hat er nicht lange überlebt. Der Niedergang der "Gartenlaube" setzt kurz nach der Jahrhundertwende ein und endet 1944. "Die neue Gartenlaube" zeigt auf dem Titelbild ihrer letzten Ausgabe Mädchen am Flak-Scheinwerfer. Noch immer ziert sich der Kopf der Illustrierten mit der kleingedruckten Zeile "Begründet 1853 von Ernst Keil".
(Quelle: Broschüre Das Fernsehspiel im ZDF, Juni - August 1981, Seite 64-69, herausgegeben vom Zweiten Deutschen Fernsehen, Informations- und Presseabteilung)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 28. April 2024
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