Die Konsequenz 1977
Inhalt Martin Kurath ist homosexuell. Wegen "Verführung Minderjähriger" wird er zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Doch er bezweifelt, dass es diesen Prozess gegeben hätte, wenn seine Beziehung nicht eine homosexuelle gewesen wäre. Im deprimierenden Haft-Alltag gibt es eine Abwechslung, als der liberale Direktor einem Experiment zustimmt. Der Schauspieler Kurath soll das von einem Mithäftling verfasste Theaterstück "Hoffnungslos" inszenieren. Für eine Hauptrolle holt man von draußen den Sohn eines Aufsehers, den 16jährigen Thomas Manzoni. Während der Probenarbeit gibt Thomas Martin zuverstehen, dass er ihn mag und - dass auch er homosexuell veranlagt ist. Eines Abends gelingt es Thomas, unentdeckt in Martins Zelle zu kommen. In dieser ersten gemeinsamen Nacht beschließen sie, zusammen zu bleiben. Unfähig ihren Sohn zu begreifen, mobilisieren die Eltern Manzoni die Justiz. Da sie noch über das Sorgerecht verfügen, erzwingen sie Thomas' Einweisung in eine Erziehungsanstalt. Hier wird die Persönlichkeit des Jungen auf erschreckende Weise demontiert, zumal er - der Homosexuelle - von der Solidarität der Zöglinge ausgeschlossen, den Demütigungen der Erzieher in besonderer Weise ausgesetzt ist. Mit Martins Hilfe gelingt Thomas die Flucht. Doch alle Versuche, ihr gemeinsames Leben fortzusetzen, scheitern. Als der 20jährige Thomas Manzoni sich aus eigener Verantwortung für ein Leben mit Martin entschließen könnte, ist er ein gebrochener Mann. Nach einem Selbstmordversuch wird er in eine psychiatrische Klinik eingeliefert.
Der Film entstand nach Motiven des gleichnamigen Romans, dem persönlichen Erlebnisse des Autors Alexander Ziegler zugrunde liegen. Die Geschichte spielt in der Schweiz. Sie wäre zweifellos ebenso in unserem Lande denkbar.
(Quelle: Broschüre "ARD Fernsehspiel - Okt. - Dez. 1977)
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"Erfahrungen, homosexuelle, habe ich nie gehabt. Was mich an dem Drehbuch reizte, war nicht primär, einen Homosexuellen zu spielen, sondern vielmehr einen Menschen zu zeigen, der für einen anderen eintritt, der für ihn sorgt, der ihm hilft, weil er ihn liebt und der fähig ist, zu lieben. Dass sich dieses Liebesverhältnis nun zwischen zwei Homosexuellen und nicht zwischen Mann und Frau abspielt, also im Sinne der Allgemeinheit kein normales Liebesverhältnis ist, fand ich zum Aufzeigen einer Liebesgeschichte interessanter, weil ich glaube, dass man so deutlicher arbeiten kann. Dass die Geschichte im Knast ihren Ausgangspunkt hatte, war besonders aufregend, denn gerade da ist ja die Liebe so verkümmert und das Liebesbedürfnis so groß. Vor Beginn der Dreharbeiten befand ich mich in einer großen innerlichen Spannung, die ich immer dann an mir beobachtet habe, wenn ich mich auf etwas völlig Neues eingelassen hatte und es natürlich auch wollte. Der Gedanke an die Zusammenarbeit mit Wolfgang beruhigte mich jedoch immer wieder etwas, es war unser vierter gemeinsamer Film. Was sich jedoch während der Dreharbeiten immer wieder einstellte, war, zu meiner Verwunderung, eine ständig wachsende Ausgeglichenheit und innere Gelöstheit. Meine Kräfte schienen mit der Aufgabe zu wachsen. Glücklicherweise war der Drehplan so konzipert, dass die schwierigen Szenen fast alle am Schluss lagen. In der wohl schwersten und ür den Film unserer Meinung nach entscheidenden Szene bleibt Thomas heimlich bei seinem Freund Martin in der Zelle, weil es für beide für lange Zeit die letzte Möglichkeit ist, sich zu sehen. In dieser Nacht gesteht Thomas Martin seine Liebe, und beide küssen sich und verbringen die Nacht gemeinsam in der Zelle. In mir - und ich glaube, in den meisten Menschen sieht es genauso aus - sind durch unsere Erziehung Schranken, Grenzen, Tabus aufgerichtet. Eine davon ist der Austausch von Zärtlichkeiten unter Männern. In dieser Szene musste ich mich am weitesten vorwagen, der Widerspruch zu meinen privaten Gefühlen war hier am größten und als Widerspruch für mich durchaus noch fühlbar. Was mich dazu befähigte, einen Jungen zu streicheln, ihn zu küssen wie ein Mädchen, war meine Einsicht in die Notwendigkeit im Hinblick auf Situation und Rolle. Erfahren habe ich daraus, dass es ganz natürlich ist, auch als Mann einen Mann zu streicheln und zu küssen, wenn man ihn liebt. Trotzdem sitzt diese Erfahrung fest in mir. Eine Filmerfahrung? - Eine menschliche Erfahrung. Zwei Vorgänge von vielen, die meine ganze Person forderten, sie verunsicherten, sie in Frage stellten, die mich aber auch über mich nachdenken ließen und mir neue Erkenntnisse über mich selbst vermittelten; im Spiel gewonnen - Filmerfahrungen." (Quelle: "KINO - Bundesdeutsche Filme auf der Leinwand", 1978, hrg. von Doris Dörrie und Robert Fischer, Verlag Monika Nüchtern, München)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 22. April 2024
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