Magdalena
1983
Inhalt Nachdem er mit den hintergründig-frechen "Lausbubengeschichten" und Lustspielen wie "Die Lokalbahn" oder "Moral" große Erfolge erzielt hatte, setzte Ludwig Thoma (1867 - 1921), Bayerns großer Dialektdichter und Satiriker, seinem Publikum einmal keine leichte Kost vor. Sein Volksstück "Magdalena", 1912 in Berlin uraufgeführt, ist eine bitterböse Bauern-Tragödie, die mit ihrer gesellschaftskritischen Tendenz in der Anprangerung von Heuchelei und doppelter Moral thematisch auf derselben Linie wie die Komödien liegt. Mit bayerisch-sprachigen Schauspielern wie Fritz Strassner, Maria Singer, Andrea-Maria Wildner, Toni Berger und Franz Xaver Kroetz in den Hauptrollen besorgte nun Jörg Graser eine Fernseh-Neuinszenierung des Thoma-Stückes. Nach der Rumplhanni seiner Zeitgenossin Lena Christ, bringt der Bayerische Rundfunk damit wieder ein bedeutendes Werk aus der bayerischen Dramenliteratur auf den Bildschirm.
Das düstere Drama der Magdalena umfasst einen Zeitraum von sechs Wochen. In Berghofen, einem Dorf bei Dachau, wohnen die ehrsamen, angesehenen Kleinbauern Thomas Mayr, genannt Paulimann (Fritz Strassner) und sein Weib Mariann (Maria Singer). Seit 37 Jahren sind sie verheiratet ("Und hat mi'koan Tag net g'reut"), doch nun siecht die Frau dahin. Schuld daran ist nicht zuletzt die Tochter Magdalena, die Leni, die als Näherin in die Großstadt gezogen ist, dort auf die schiefe Bahn und mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Mit Schimpf und Schande wird sie nun unter dem Gejohle der Dorfbewohner heimgebracht. Trotzdem gibt er seiner Frau auf dem Sterbebett das Versprechen, die Leni nicht aus dem Haus zu jagen.
Genau das aber verlangen die Dorfbewohner von ihm, allen voran der Bürgermeister. "Die Schand tuat uns weh, dass so oane im Dorf is", sagt er und will mit seiner Moral-Kampagne im Grunde nur erreichen, dass Paulimann auszieht und er dessen Anwesen billig erwerben kann. Der Pfarrer, die Bauern, die jungen Burschen und Mädchen, sie alle attackieren selbstgerecht die Sünderin Leni.
Die ist nun kein gefallener Unschuldsengel, sondern ein dumpfes, unbeholfenes Mädchen, und sein, unter der Schmach leidender Vater erkennt, "dass mehra dei Dummheit schuld war als wia d' Schlechtigkeit". In ihrer Naivität bildet sich die Leni sogar ein, sie könnte einen Mann finden, und macht dem Aushilfsknecht Lenz (Kroetz) schöne Augen. Der verlässt daraufhin den Hof vom Paulimann. Die Leni bandelt nun mit dem Bauernsohn Martin Lechner (Brehm) an und bittet ihn um ein paar Mark: Sie braucht Geld, weil sie in die Stadt zurück will. Mit diesem neuerlichen Sündenfall bringt sie nun das Dorf so in Aufruhr, dass keiner mehr ihre Anwesenheit dulden mag. Der Vater wehrt sich gegen die scheinheiligen Dörfler und den Pharisäer von Bürgermeister; er will nicht, dass man sie "nausjagd auf d'Straß'n" und 'dass s' draußd im Dreck derstickt" - und er ersticht seine Tochter: "Jetzt reißt's as naus in d' Schand!" Mit dieser Verzweiflungstat endet das Stück; eine Anklage nicht gegen das dumme Hascherl Leni, das ins Unglück rennt und nicht mehr loskommt, sondern gegen eine Auffassung von Moral, die nur mehr Unmenschlichkeit bedeutet.
(Quelle: ARD Fernsehspiel, Ausgabe April bis Juni 1983. Herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 28. Oktober 2020
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