Zwischen den Zeiten
1995
Inhalt
In einer kleinen deutschen Stadt werden kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges vier russische Gefangene erschossen. Sie hatten als Zwangsarbeiter in einem Rüstungsbetrieb gearbeitet. Da der Produktionsausstoß ständig nachließ, statuierte die SS dieses grausame Exempel als Warnung für alle Betriebsangehörigen.
Das Ereignis belastet die Situation nach dem Krieg. Hätte dieser Mord an diesen vier unschuldigen Menschen nicht verhindert werden können? Die Öffentlichkeit klagt sehr bald den Direktor und Eigentümer des Unternehmens, den Fabrikanten Sternbeck, an, Schuld auf sich geladen zu haben. Immerhin war das Verbrechen auf seinem Grund und Boden geschehen, hatte er selbst zugesehen und sich darüber hinaus stets seiner guten Beziehungen zu den Machthabern des NS-Staates gerühmt.
Den Widerpart übernimmt vor allem sein ehemaliger Schulfreund und langjähriger Betriebsrat Karl Horlacher, der, von den Nationalsozialisten verfolgt und immer wieder verhaftet, schließlich als Hilfsarbeiter im Kohlenbunker der Fabrik gelandet war. Er vertritt nun - von den Amerikanern in seine alte Funktion wieder eingesetzt und zum Stadtrat berufen - den Anspruch auf Bestrafung und Sühne des in seinen Augen Verantwortlichen.
In die sich anbahnende Auseinandersetzung werden nicht nur die Familien der Betroffenen, sondern auch weite Kreise der Bevölkerung hineingezogen. Dabei zeigen sich Schicksale, wie sie damals vielerorts durchlebt und durchlitten wurden, spielen sich Vorgänge ab, die typisch sind für jene Jahre zwischen 1945 und 1948.
Anfangs sind mehr oder weniger alle - von den geflohenen oder inhaftierten Nazis einmal abgesehen - auf Seiten des rechtschaffenen Horlacher. Entsprechend richten sich in dem bald darauf eingeleiteten Spruchkammerverfahren die Zeugenaussagen durchweg gegen den umstrittenen Industriellen, der schließlich zu einigen Jahren Arbeitslager verurteilt wird. Im Lauf der Zeit verändert sich jedoch dieses Bild.
Die Menschen wenden sich wieder ihren eigenen Problemen zu: Der von der Front heimgekehrte Sohn muss einen neuen Arbeitsplatz finden, ein angeblicher Widerstandskämpfer erweist sich als professioneller Dieb und Schieber, ein in den Kriegswirren versprengter Junge findet seinen Vater, und schließlich streben alle für sich und ihre Familien bessere materielle Verhältnisse an. Die Schatten der Vergangenheit möchte man endlich loswerden.
Plötzlich erinnern sich viele daran, dass Sternbeck während des Krieges manchem geholfen hat, ja dass er selbst jüdischen Mitarbeitern - die er zwar entlassen musste - das Reisegeld für die Emigration zugesteckt hatte. Wie aber hätte er die Erschießung der vier Russen verhindern sollen? Darauf weiß jetzt niemand mehr eine Antwort.
In der Berufungsverhandlung der Spruchkammer wird Sternbeck dann auch weitgehend freigesprochen und kann schließlich in seine Fabrik zurückkehren. Das Leben geht weiter, einem oft als Wunder beschriebenen wirtschaftlichen Wiederaufstieg entgegen. Alle nehmen daran teil, nur einer zieht für sich die Konsequenzen: Karl Horlacher verlässt den Betrieb.
Zur Realisation - Bemerkungen des Regisseurs Ein Dokumentarspiel über die Zeit von Februar 1945 bis zum Sommer 1948 in Deutschland ist zu drehen. Sendlänge 100 Minuten. Dreißig Rollen müssen besetzt, über 25 Schauplätze aus der Zeit gefunden werden. Das Budget scheint zunächst ausreichend, die Vorbereitungszeit - zwei Monate - normal.
Die Innenaufnahmen, wo wird erstmal geplant, werden im Studio Hamburg stattfinden, die Außenaufnahmen in oder um Hamburg herum. Als Hauptmotive brauchen wir eine Arbeitersiedlung aus den zwanziger Jahren und einen eisenverarbeitenden Betrieb aus den dreißiger Jahren. Das müsste doch zu finden sein, meinen alle. Langsam wird uns klar, auf was wir uns da einlassen. Jeder trägt etwas bei, erinnert sich an eigene Erlebnisse in jenen Jahren. Wie sind die Trümmer, die das Bild der Zeit - also auch unsere Filmbilder - beherrschen müssen? Es gibt sie ja nicht mehr. Also muss der Architekt die Trümmer "herstellen". Er muss in der Fabrik, die wir noch nicht gefunden haben, Wände einreißen dürfen, den Dachstuhl demolieren.
Waren die Uniformen der SS und der Hitlerjugend noch so, wie sie jeder kennt oder nicht doch schon kurz vor dem Zusammenbruch mehr zusammengestoppelt? Die Kostümbildnerin beginnt mit der Arbeit. Sie nutzt ihre Fachbücher und sucht im Fundus zusammen, was irgend geht. Zeugen der Zeit werden befragt. Wie zu erwarten: Jeder weiß es besser, jeder sagt etwas anderes. Also zum Institut für Zeitgeschichte. Zurückhaltende Auskünfte. Man ist zu oft schon missverstanden worden, missinterpretiert in solchen Filmen.
Wo werden wir die Schauspieler finden, die nicht ihren Wohlstandsspeck mitbringen, die das Authentische der damaligen Zeit in Figur und Gesicht besitzen? Es ist alles vierzig Jahre her und wir sind doch schon längst im historischen Bereich. Jeder merkt, wie sich Legende und Wahrheit mischen und verweben. Er ergeben sich jeden Tag mehr Fragen als Klärungen. Nach langen Diskussionen entschließen wir uns, nicht in Farbe, sondern schwarzweiß zu drehen. Bunte Herbstbilder vielleicht noch unfreiwillig in strahlendem Herbstlicht aufnehmen zu müssen, das wäre eine den Stoff tötende Belastung.
Dann stellt sich heraus, dass das Drehbuch zu aufwändig, also zu teuer ist. Das Geld reicht nicht. Also wird noch einmal am Drehbuch gearbeitet, eine neue Endfassung hergestellt. Wieder wird gerechnet.
Das Ergebnis: Wir können nicht in den Studios drehen, weil das zu teuer wäre. Alles muss an Originalschauplätzen gemacht werden. Der Architekt fährt los, beginnt zu suchen. Es vergeht Zeit, viel Zeit, bis endlich der erlösende Anruf kommt: Ich glaube, ich hab' was gefunden. Aber nicht in oder um Hamburg, sondern im Großraum Nürnberg. Regisseur und Kameramann lassen sich vom Architekten die Motive zeigen. Wir sind alle begeistert.
Bis auf die Produktion, denn wenn wir alles um Nürnberg herum drehen, fallen wieder andere Kosten an, erheblich sogar, für Reisen, für Übernachtungen usw. Also wird noch einmal nachgerechnet. Dann endlich fällt die Entscheidung: Ja, wir drehen, und zwar alles bei Nürnberg. Wieder gilt es, einen neuen Drehplan zu machen, einen neuen Ablaufplan, neue Termine für die Schauspieler. Viele, die schon zugesagt hatten, können nun nicht mehr, also wird wieder mit der Suche begonnen. Wir wollen doch neue, unverbrauchte Gesichter, um den Stoff zu stützen, zu stärken.
Die Zeit drängt nun wirklich. Wir sind zehn Tage vor Drehbeginn eines historischen Films. Da muss jedes Kostüm, jede Straßenecke vorher genau festgelegt werden, jedes Requisit, jedes Fahrzeug muss abgesprochen und bestellt werden. Allein das Proben der Kleindarsteller ist vor Ort kaum zu lösen. Keine Bärte und langen Haare für die Herren, keine kurzen Haare für die Damen. Wir brauchen ja bloß dreihundert Kleindarsteller! Auch das schaffen wir. Endlich, wenn auch eigentlich zu früh: der erste Drehtag.
Alles ist hervorragend vorbereitet. Wir können also arbeiten, bis das erste "Aus"! vom Toningenieur kommt. Die Amerikaner haben gerade ihre Herbstmanöver und setzen laufend Hubschrauber ein. Der Ton ist also unbrauchbar. Wieder heißt es warten, den kurzen Augenblick suchen, an dem man am Himmel nichts hört. Geschafft! Nein, nicht geschafft", sagt der Kameramann, "wir hatten wieder einen Lichtwechsel. Unsere Szene begann im Schatten, und nun kommt die strahlende Sonne." - Also warten wir auf Schatten.
Aus Dreharbeiten werden Wartezeiten. Das zerrt an den Nerven aller Beteiligten. Die ersten Überstunden werden fällig, aber der Film muss in 24 Tagen abgedreht sein. Wir drehen, wir warten, wir drehen. Das kaum Erwartete trifft ein: Der Film ist nach 24 Tagen tatsächlich "im Kasten". Wir sind erschöpft, wir sind fertig, aber wir haben ein gutes Gefühl. Ob unser Eindruck richtig ist, wird sich bei der Sendung entscheiden, werden die Zuschauer und Kritiker beurteilen.
(Quelle: Filmbeschreibung und Kommentar aus der Broschüre "Das Fernsehspiel im ZDF", Heft 48, März bis Mai 1985, Hrg. Zweites Deutsches Fernsehen, Informations- und Presseabteilung / Öffentlichkeitsarbeit)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 5. Mai 2024
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