Die Sache ist gelaufen

1985

 

Filmliste Rainer Wolffhardt

 

  

  

Regie

Rainer Wolffhardt

Drehbuch

Werner Thal

Musik

Rolf G. Wehmeier

Produktion

Olga Film GmbH, München

Redaktion

Helmut Rasp

Kamera

Carl-Friedrich Koschnik

Kostüme

-

Länge

-

Sonstiges

-

FBW-Bewertung

-

Ur-/Erstaufführung

23. Juli 1985

Genre

Fernsehspiel

  

  

  

Darsteller

Rolle

Uwe Ochsenknecht

Jürgen
Cornelia Köndgen Bärbel
Dieter Thomas (†8.4.2016) Horst Dorn
Peter Lampert-Lancaster Albert
Georg Lehn (†20.3.1996) Opa Dorn
Sofie Engelke (†17.12.2000) Martha Weck
Claus Berlinghof Edwin Weck
Joost Siedhoff (†28.6.2022) Emil Dorn
Erwin Scherschel (†14.9.1997) Eckhard
Gerd Rigauer Schulz
Dieter Henkel Lokalreporter
Hendrike von Sydow Annette
Alexander Osteroth Nico
Uwe-Karsten Koch ?
Irene Rohde ?
Dieter Schmiedel ?
Karl-Heinz Staudenmayer ?
Henrik Helge ?
Horst Schäfer ?
Jochen Rühlmann ?

                  

 

 

Inhalt  

 

Wenn die Fußballclubs von Hainstein und Taunustal aufeinandertreffen, fliegen regelmäßig die Fetzen. Beide Gemeinden sind traditionell verfeindet, aber - dank der Gebietsreform - zu einer Verwaltungseinheit verschmolzen.

Nun möchte das kleinstädtische Hainstein Taunustal an die moderne Welt angliedern. Die Hauptstraße soll verbreitert, ein altes Wirtshaus - Treffpunkt der Jugend - abgerissen werden. Die Taunustaler kämpfen um den Erhalt des Dorfkerns. Der Szenenkneipe würde allerdings kaum einer der Älteren nachtrauern, am wenigsten die honorigen Väter der unkonventionellen vier jungen Kneipenwirte. Zwar widersetzen sich diese den Abrissplänen mit List und Tücke, doch innerhalb ihrer feuchtfröhlichen Partnerschaft kommt eine latent schwelende Krise zum Ausbruch: Alle vier sind über dreißig. Sollen sie überhaupt weitermachen:

Jürgen möchte den Zeitpunkt seiner Anpassung noch etwas hinausschieben und plädiert mit Albert für den Erhalt der Wirtshausgemeinschaft. Sein Vetter Horst neigt dazu, dem Drängen des Vaters nachzugeben und sein Studium zu beenden. - Bärbel, die einzige Frau im Quartett, wünscht sich ein Kind, und das soll nicht in einer Kneipe aufwachsen. Doch angesichts des drohenden Abrisses fasst Jürgen ihren lang geplanten Ausstieg als Verrat auf.

 

DIE HEILE-WELT-KULISSE

von Drehbuchautor Werner Thal

 

Gewöhnlich werden Figuren wie diese Taunustaler Wirte als Aussteiger, Chaoten oder Verweigerer bezeichnet. Sie selbst würden sich eher Freaks nennen. Rudi Dutschke sprach einmal von "Beleidigten". Ihre Ratlosigkeit wird ihnen als wohlstandsbedingte Schwäche angekreidet, ihr Verweigerung als Ungehorsam und Faulheit ausgelegt. Dabei arbeiten sie nicht mehr und nicht weniger als andere auch: Neben der Kneipe unterhalen sie sogar noch ein kleines Taxiunternehmen, aber Wirt einer Szenekneipe im Heimatdorf zu sein, heißt, täglich mit den enttäuschten Erwartungen der Eltern zu leben. Das schnürt ein, der Erwartungsdruck wächst mit zunehmendem Alter. Dem begegnen sie mit Trotz: "Wir war'n mit zwanzig pensioniert und als Chaoten registriert", singen Albert und Jürgen und zelebrieren sich in ihrer Unfähigkeit, im Sinne der Eltern erwachsen zu werden. Doch ihren ungebrochenen feuchtfröhlichen Gelagen haftet stets etwas traurig Clowneskes an. Jürgens Muttr sieht es realistisch: "Ewisch könnt' er doch nit so weitermache." Warum eigentlich nicht?

 

Warum nicht mit Sechzig noch Wirt einer Szenekneipe? Weil ihre Existenz zu sehr einer Antihaltung entspringt, die an Jugend gebunden ist?

 

Aber die Front der Aussteiger bröckelt. Die Lebensrezepte der Alten greifen auch nicht mehr. Hätte Jürgen auf seinen Vater gehört "un sein Lehrer gemacht", wäre er heute wahrscheinlich arbeitslos; und Opa Dorns Ansicht: "Weiber mäscht mer Kinner. Do sin se beschäftischt un gebbe Ruh" wird Bärbel gewiss nicht teilen, bei aller Sehnsucht nach einem Kind.

 

Der Generationenkonflikt wirkt tief ins gesellschaftliche Leben. Den Grünen schlägt das Misstrauen der Etablierten massiv entgegen. Oft werden sie zu pubertierenden Politgammlern abgestempelt, deren Loyalität man getrost in Zweifel stellen darf. Da, wo sie auf Kooperationsangebote nicht sogleich dankbar und servil einzugehen bereit sind, begreift man sie schnell als jene typischen Vertreter einer Generatin, die sich vor jeder Verantwortung drücken will.

 

Schuldbeladen wie keine Generation, die sich vor jeder Verantwortung drücken will. Schuldbeladen wie keine Generation vor ihnen gebärden die Väter sich selbstgerecht und erweisen sich unfähig, ihre Macht zu delegieren. Sie reagieren und reglementieren bis ins hohe Alter. Durch Krieg und Wiederaufbau um ihre Jugend betrogen, haben sie immer nur für kommende Generationen geackert. Dafür erwarten sie Anerkennung und Dankbarkeit und reagieren allergisch auf jede Kritik. Angesichts des Waldsterbens und all der ABC-Waffen, die bei uns lagern, wächst bei den Jungen allerdings der Eindruck, dass uns ein Erbe von höchst zweifelhafter Qualität aufgebürdet ist.

 

Auf der Suche nach Taunustal hatten wir ein bisschen heile Welt vor Augen. Wir suchten ein in einem Tal gelegenes Reihendorf mit altem Ortskern, das deutlich verkehrsbehindernd einen Engpass bildet und deshalb abgerissen werden soll. Nachdem wir in einem Halbkreis von fünfzig Kilometern sämtliche Dörfer nördlich von Frankfurt und Wiesbaden abgesucht hatten, war uns klar, dass die Sache gelaufen ist: Die Straßen sind längst begradigt und verbreitert, die alten Häuser längst abgerissen, die wenigen, die erhalten wurden, sind meist aufdringlich in Zuckerbäckerfachwerk herausgeputzt. Überhaupt hat sich diese Gegend in den letzten zwanzig Jahren strukturell stark gewandelt. Früher waren in den Dörfern mittelständische Betriebe ansässig, Möbel- und Lederfabriken, Handwerk, landwirtschaftliche Höfe und jede Menge Fünf-Uhr-Bauern, die sich vorwiegend durch Obstanbau ein Zubrot verdienten.

 

Heute sind die Südhänge dieser Dörfer bis auf den letzten Quadratmeter mit Einfamilienhäusern bebaut, auf den verbliebenen Feldern verfault das Obst an den Bäumen, und wo einst Kühe grasten, stehen nun Reitpferde auf den Koppeln. Die Gegend ist zu einem riesigen Freizeitpark verkommen: Schlafdörfer für reiche Städter und durch Landverkäufe reich gewordene Dörfler, die inzwischen im Rhein-Main-Gebiet ihr Brot verdienen. Unser altes Kneipenhaus wurde somit gleichsam zu einer letzten Trutzburg gegen Verkehrsplanungen und Verstädterungstendenzen. Allerdings mussten wir uns da mit einer Kulisse behelfen.

 

 

(Quelle: Broschüre "Das Fernsehspiel im ZDF", Juni bis August 1985, Seiten 33-35, herausg. vom ZDF, Information u. Presse/Öffentlichkeitsarbeit) 

  

  

   

   

   

   

   

   

    

   

   

  

Layout: Rosemarie Kuheim - Deutsches Filmhaus

Bearbeitet: 25. Juni 2024

  

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