Bali Alternativtitel: "Glückliche Insel Bali" 1984
Inhalt
Michael Stern, etwa vierzig Jahre alt, wurde als Sohn einer damals "unerwünschten" Deutschen und eines Russen in der Emigration geboren, befindet sich aber seit Jahrzehnten wieder in Deutschland. Hier arbeitet er als Fernsehregisseur. Er hat Frau und zwei Kinder - beide im unangenehmsten Punk-Alter. Mit den privaten Umständen wie den allgemeinen Zeitströmungen hier ist Michael (odere "Mike" oder "Mischa") alles andere als zufrieden. Von Frau und Kindern fühlt er sich beengt, von seiner ständigen Assistentin Annegret Beil sozusagen zur Legalisierung ihres Liebesverhältnisses gedrängt. Kulturgeschwätz und oberflächliche politische Diskussionen in gut situierten Verwandten- und Freundesrunden öden ihn an. Überall spürt er Angst vor irgendeinem Untergang und beteiligt sich selbst auch wieder an dem Spiel mit Angst und Untergang. Er ist mit sich und der westlichen Welt unzufrieden. Es ist deshalb für ihn wie ein Zeichen, als er von einem Redakteur das Angebot bekommt, einen Film mit Spielelementen über das Leben und den tragischen Tod des Malers Walter Spies zu machen, der in Bali Mitte der zwanziger Jahre, in klarer Abwendung von Europa und dem hiesigen Kulturbetrieb, den Sinn seiner Existenz und seines Künstlertums gefunden zu haben schien, den aber der Zweite Weltkrieg auf seiner Insel einholte und der, als Deutscher von den holländischen Kolonialherren interniert und verschifft, durch japanische Fliegerbomben 1942 an Bord der "Van Imhoff" im Pazifik einen absurden Tod fand - als Maler geheimnisvoller, zum Teil nicht erhaltener exotischer Bilder einer Legende, auf Bali auch wegen seiner musikalischen Beschäftigung mit dem Gamelan und seiner Beeinflussung der einheimischen Tänze noch heute hier und da verehrt: für Michael Stern ein schlüsselhaftes Phänomen! Er saugt sich bei den Vorarbeiten an dieser Gestalt und ihren Spuren fest, spürt selber schon den Keim des Ausstiegs in sich.
Mit möglichst kleinem Team, aus dem er mit der allgemeinen Sparsamkeitsbegründung Annegret geschickt herausgehalten hat, fliegt er nach Bali. Schon die Motivbesichtigung mit typisch europäischen Missverständnissen zeigt, dass es nicht leicht sein wird, aus den vielen - auch verfälschenden - Gesichtern Balis das zu fixieren, was dem ursprünglichen Kunst- und Lebensverständnis von Walter Spies entspricht. Martina Hillenbrink, Produktionsleiterin, Script, Maske und überhaupt eine Art "Mädchen für alles", hat da anfangs einigen Unmut des Regisseurs abzufangen.
Aber auch der mit Zögern ausgesuchte Spies-Darsteller Henning Carius, mit Michael von früheren Arbeiten her befreundetr, hat es schwer, sich in seinem Spiel der Titelfigur zu nähern. Manches bleibt äußerlich: gut, aber - wie "abgedreht", professionell: Michael ist unglücklich. Der Besuch zweier heute auf Bali lebender Künstler, gleichsam auf den Spuren von Walter Spies, lässt auch die Frage nach Pose oder balinesischer Innerlichkeit offen, zeigt Spuren von Flucht und Atomangst.
Während des Drehs einer Szene, in der ein Schweizer Rotkreuzarzt und Bekannter (gespielt von Michael Stern), Walter Spies im Internierungslager besucht, passiert in der Nähe ein schlimmer Verkehrsunfall. Martine und Michael helfen spontan den Verletzten. Geza Tassy, aus Ungarn stammender, sozusagen eingedeutschter Kameramann, dreht einfach weiter. Thomas von Meerhofen, deutscher Tonmann, regelt eine Spur zu wichtigtuerisch den Verkehr. Michael und Martina aber finden über die gemeinsame, spontane Hilfsaktion und ein Erlebnis im Wald, wo sie eine seltene Skulptur gefunden zu haben glauben, zueinander, - gemeinsam verzaubert von Bali. Martina ist verheiratet, Mutter von zwei Kindern und eigentlich von Grund auf treu. Michael und sie werden von dieser Leidenschaft überrascht. Doch bald holt Europa sie wieder ein. Nach wenigen Tagen versetzt ein Anruf von zu Hause Martine in Schuldgefühle. Halbherzig führt Michael seine künstlerische Suche weiter: Wie die heutige Kultur Balis, die Feste, die Tänze mit zum Teil gestellten Touristenattraktionen, mi dem, was er über Walter Spies sagen will, zusammenbringen? Geza fragt nach Hahnenkämpfen oder Leichenverbrennungen, aber hier trifft er für Michael mit dessen persönlicher Biografie einen besonders empfindlichen Nerv. Fast kommt er wieder zum Streit. Auch der "Tonmann" ist für eine Figur wie die von Walter Spies persönlich zu unsensibel. Abends, nach getaner Arbeit, kommen in herrlichster Umgebung altbekannte europäische Diskussionsthemen wieder auf, mit derselben Verbissenheit. Auch die holländische Schauspielerin Grit Martens, die als "Hen" eine Figur aus der Filmhandlung zu verkörpern hat, bringt mit ihrem lustigen Naturell die Streitenden kaum auseinander.
In dieser menschlich wie filmisch festgefahrenen Situation kommt plötzlich ein bei dem Unfall verletztes Mädchen zu Mike und lädt ihn zum Dank in ihre Familie ein. Hier erst, im Umgang mit den einfachen Menschen und Dingen, lernt er die Natur und den Geist von Bali kennen, spürt, dass auf irgendeine Weise das auch heute noch da sein muss, wie damals Walter Spies faszinierte. Er sieht plötzlich mit balinesischen Augen, rückt dadurch aber seinem Team mit dessen oberflächlichen Sorgen und auch Martina schlagartig fern. Einen Ansatz macht er noch, aus dem neugewonnenen Verständnis die Arbeit an seinem Film zu vertiefen: Er ändert das Buch, rückt Bali in den Vordergrund und erntet (bei dem beleidigten Hauptdarsteller, er mehr als irritierten Produktionsleiterin und kaum noch Geliebten und bei den anderen) Unverständnis. Nach einer Art Streik und einer hässlichen persönlichen Auseinandersetzung mit Martine sind für ihn innerlich die Würfel gefallen.
Frühmorgens verlässt er, nur mit dem Nötigsten versehen, heimlich das Hotel und taucht unter. Hier beginnt Michaels eigene Flucht, auf der er sich immer mehr mit Walter Spies identifiziert, dessen Hoffnung auf Selbstfindung teilt, mit einfachen Menschen lebt und arbeitet, einem Jungen, der kurioserweise genau in die Gegenrichtung (nämlich aus Bali weg nach Amerika) will, etwas Englisch beibringt, im Überschwang eines Tages seinen Pass zerreißt und ins Meer wirft, Tempelfeste und Leichenverbrennungen (auf Bali echte Freudenfeste) jetzt als fast balinesisch "Bekehrter" erlebt - und doch plötzlich an einer scheinbar kleinen Hürde wie dem missachteten Geisterglauben in bezug auf einen Baum bei seinem neugewonnenen Häuschen zu stolpern beginnt.
Er versucht wieder freizukommen, verfängt sich erneut und spürt zunehmend (nicht nur wegen deseer äußerlichen Schwierigkeiten), dass Bali ein wunderbares und exemplarisches Stück Welt und Kultur, aber letztlich kein Bali für ihn ist, ebensowenig wie die Nachbarinsel Java, wo dann in der Kneipe eines ehemaligen Europäers, der ihn billig beherbergt, sein letzter Fluchtpunkt liegt und der Keim einer ganz neuen Erkenntnis in ihm fällt. Er empfängt ihn aus dieser scheinbar sicheren und doch zutiefst verstörten "Wirts"-Figur, der István Szabó selbst Gestalt verlieh und in die er so etwas wie ein persönliches Bekenntnis legt.
(Quelle: Broschüre ARD Fernsehspiel, Heft 44, März bis April 1984, hrg. von der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der BRD)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 13. Dezember 2020
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