Die Berührte 

1980/81

 

Filmliste Helma Sanders-Brahms

 

  

  

Regie

Helma Sanders-Brahms

Regieassistenz

Christa Ritter

Drehbuch

Helma Sanders-Brahms

Schnitt

Ursula West

Produktion

Helma Sanders Filmproduktion GmbH

Kamera

Thomas Mauch

Musik

Manfred Opitz, Harald Großkopf

Ton

Margitt Eschenbach

Tonassistenz

Ebba Jahn

Kostüme, Maske, Geschäftsleitung

Helma Sanders-Brahms

FSK

ab 16 Jahre

Länge

ca. 110 Minuten

Sonstiges

- Die Berührte bei Filmportal

- Urauff. bei den Intern Hofer Filmtagen am 1. Nov. 1980

Ur-/Erstaufführung

Kinostart 20.11.1981

Genre

-

  

  

  

Darsteller

Rolle

Elisabeth Stepanek  Veronika Christoph
Hubertus von Weyrauch ihr Vater
Irmgard Mellinger ihre Mutter
Nguyen Chi Danh der Erste
Erich Koitzsch-Koltzack der Alte
George Stamkowski der Grieche
Curt Curtini der Zauberer
Karl Heinz Reimann Kind Gottes
Abdel Wahed Askar Ibrahim
Hasan Hasan Monsef
Nabil Reiroumi Salem
Harald Hoedt der Kranke
Jorge Reis Demba
Erika Dannhoff die Gräfin im Garten
Günther Ehlert der tanzende Tod
Carola Regnier die Ärztin

                  

 

 

Inhalt  

  

Veronika Christoph, Tochter reicher und konservativer Eltern, streunt durch das winterliche Berlin auf der Suche nach Männern, in denen sie die Wiederverkörperung Gottes oder Christi sieht, Krüppeln, alten Männern, Stadtstreichern, Negern, Gastarbeitern, den Verlierern der Leistungsgesellschaft, und mit ihnen, einzige Möglichkeit einer Kommunikation in einer sprachlosen, lieblosen Gesellschaft, schläft sie, gibt sich ihnen ohne Vorbehalte, ohne Rücksicht auf Gefahren. Ihre Eltern und andere Vernünftige lassen sie dafür immer wieder in psychiatrische Anstalten sperren.

 

"Dieser Film begann mit einem Brief: Mach einen Film aus meiner Geschichte. Die ihn schrieb, gilt als schizophren. Ohne dazwischen geschaltetes Drehbuch habe ich ihre Texte unmittelbar im Film übersetzt. Texte, die eine Geschichte erzählen wie von Dostojewskij, aber zu den Zeiten der Instandbesetzungen, auf dem Müllhaufen unserer Kultur, in Berlin, wo noch immer Krieg ist. Eine wirklich alternative Geschichte.

Veronika Christoph: Sie verteilt keine guten Ratschläge, keine Almosen, keine Flugblätter. Sie verteilt, unermüdlich, immer wieder, Stehauffrau, sich selbst.

 

Die "Berührte", eine Frau, die Gott sucht, indem sie mit den Erniedrigten und Beleidigten in dieser Gesellschaft schläft, muss mit der Forderung, die hinter ihrem Leben steht, total beunruhigen. Gastarbeiter kriegen doch Aushilfen, zu Negern ist man freundlich, alte Leute sind Senioren, leben gut versorgt in Altersheimen und kriegen zu Weihnachten eine Tüte mit Apfel, Nuss und Mandelkern von zuständigen Wohlfahrtsamt, alle Leute haben was sie brauchen. Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf ... oder etwa nicht? Und wenn sie es haben, reicht es? Reicht das aus?

Das ist die Frage, die die 'Berührte' stellt. Mit dieser Frage im Kopf macht sie sich immer wieder auf, um mit ihrem Körper, das heißt, mit allem, was sie hat, mit ihrer physischen und psychischen Verletzlichkeit, das Manko an Wärme in dieser Gesellschaft auszufüllen, um den Eisblock dieses Wohlfahrtstaates mit ihrem bisschen Leib und Seele - mehr hat sie nicht - aufzutauen.

 

Für mich ist das eine ungeheure, auch politische Manifestation. Jene, die dieses Manko nicht empfinden, für die die Bedürfnisse der Gastarbeiter, Neger, Alten befriedigt sind oder sich mit Geld befriedigen ließen, die können folgerichtig das, was die 'Berührte' tut, nur als verrückt betrachten. Für sie ist logisch, dass auch hier auf Abhilfe gesonnen werden muss. Indem sie nach der Psychiatrie schreien, verhalten sie sich wie die Eltern der 'Berührten', die das für sie wirre Treiben ihrer Tochter auch nur mit hilflosem Kopfschütteln quittieren können, und mit immer neuen Einweisungen in die Kliniken. 

 

Die 'Berührte' besetzt keine Häuser, die vor Unbewohntheit verfallen, die versetzt Menschen, die vor Ungeliebtheit verfallen. Die 'Berührte' kann man deshalb nicht in Gefängnisse stecken, sie verletzt ja keine Eigentumsbegriffe. Aber man steckt sie in psychiatrische Anstalten. In der Sehnsucht der Ungeliebten ihre Gottähnlichkeit zu sehen, deckt sich mit allem, was Christus gesagt hat, - für die Menschen in Veronika Christophs Nähe gehört sie, die das tut, in die Anstalt, weg damit, wo sie keinen mehr beunruhigen kann, wo sie keinem mehr das Gefühl geben kann, vielleicht doch nicht genug zu tun." (Helma Sanders-Brahms) 

 

(Quelle: Kino - Bundesdeutsche Filme auf der Leinwand 1982/83, herausgegeben von Robert Fischer (mit seiner Erlaubnis), Verlag Monika Nüchtern, München)

 

  

  

   
  

 

 

  

   

   

   

   

   

   

    

   

   

  

Layout: Rosemarie Kuheim

Bearbeitet: 12. Dezember 2020

  

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