Und
plötzlich bist du draußen
1981
Filmliste Eugen York
Regie
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Eugen
York
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Drehbuch
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Karl-Heinz
Schmidt-Lauzemis,
Peter Göbbels
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Vorlage
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-
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Produktion
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Manfred
Durniok, Produktion für Film und Fernsehen, Berlin
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Kamera
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Witold
Sobocinski
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Musik
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-
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Länge
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-
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Ur-/Erstaufführung
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13.04.1981
ZDF
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Genre
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Lief
in der Reihe "Das Fernsehspiel des Monats"
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Inhalt
Von
heute auf morgen wird Harry arbeitslos. Ihn, der sich als nur angelernter
Baggerführer (ohne Fertigkeitsnachweis) durch sein Geschick unentbehrlich
gemacht zu haben glaubte und der aufgrund vieler Überstunden mit seiner
Familie stets fröhlich draufloskonsumierte, trifft es besonders hart,
zumal er auf Arbeitslose bisher immer ein wenig herabgeblickt hatte, nach
der Devise: Wer Arbeit will, bekommt auch welche.
Ein kurz vorausgegangener Umzug mit Ratenkäufen belastet die fünfköpfige
Familie. Der Antrag auf Arbeitslosengeld und die erste Zahlung ziehen sich
hin. Eine gleichwertige Stelle findet sich fürs erste nicht. Sofort
bekommt die Familie, die über keine Rücklagen verfügt, den materiellen
Engpass zu spüren.
Zu dieser sozusagen äußeren Geschichte einer beginnenden
Arbeitslosigkeit korrespondiert die noch wichtigere innere: Die Scham
Harrys, der sich in seiner Ernährerrolle demontiert sieht; Elkes
Einstellung zum Konsum, die jetzt in ein problematisches und vielleicht
nicht nur negatives Stadium gerät, und ihr Versuch, mit anzupacken, wobei
sie, die immer länger in der Kneipe aushilft, ihren kleinen Hauswartjob
Harry überlässt und immer selbstbewusster ihre Trinkgelder nach Hause
bringt, ihren Mann ungewollt nur noch mehr verunsichert; die Reaktionen
der Freunde, die sich - mit einer Ausnahme - absetzen; die Auswirkungen
auf die Kinder in der Schule und in der Familie. Auf die Spiegelung der äußeren
Ereignisse und inneren Krisen auf ihre Gemüter wird besonderer Wert
gelegt. Sie sind die Hauptbetroffenen. Mit ihnen (dem dreizehnjährigen
Ralle, der elfjährigen Conny und dem fast sechsjährigen Jörg, genannt
"Jogi") hofft man am Ende des Films angesichts einer besonderen
Zuspitzung, dass die Eltern den Weg heraus und zueinander finden mögen.
Als Elke von der Arbeit, von ihrem Mann und von den drei Kindern (wozu möglicherweise
noch ein viertes sich ankündigt), sich total überfordert fühlt, zerrt
sie an ihren Ketten, schreit nach ihrer Freiheit. Jogi zieht Links: Paella
zur Umzugsfeier! Elke bewirtet ihre Gäste sehr üppig; das Geld, das
Harry reichlich verdient, gibt man auch reichlich wieder aus Rechts: Als
der Chef auf der Baustelle die Kündigung ausspricht, hält der
selbstbewusste Harry das zunächst für einen Witz daraus mit der ganzen
Naivität seiner nicht ganz sechs Jahre eine schlichte Konsequenz, die
viel Aufregung und Angst verursacht und die Spannungen zwischen den Eltern
zur Entladung treibt.
Wir
erleben eine Berliner Familie, die von Natur aus lebhaft, fröhlich und
unterhaltsam ist und vielleicht in diesen Eigenschaften auch etwas von der
Überlebenskraft mitbringt, deren sie in ihrer Situation so dringend
bedarf. Vom Endpunkt einer Arbeitslosigkeit zu berichten, bereits Ruinen
oder letztes Aufbäumen zu zeigen, erscheint vielleicht auf den ersten
Blick als der wichtigere, spektakulärere, Mitleid erweckendere Impuls,
vielleicht auch als die leichtere dramaturgische Möglichkeit. Aber nur
auf den ersten Blick. Der Schnitt ins gesunde Fleisch, der Blitz aus
heiterem Himmel, der Augenblick, in dem auch viele von den ganz Sicheren
plötzlich jenen Schreck bekommen: "Hoppla, so leicht geht das, dass
einem der Wohlstandsteppich unter den Fußen weggezogen wird? Das könnte
ja auch mich mal treffen!" - mit dem Gefühl: Und was kommt dann,
ganz konkret, von Kleinigkeit zu Kleinigkeit, wobei für einen Mann wie
Harry allein schon die Kleinigkeit", zu sagen, dass er arbeitslos
ist, etwas Furchtbares bedeutet, ganz zu schweigen von Behörden,
Freunden, Nachbarn und so weiter. diese Darstellungsweise des
unerbittlichen Zusammenspiels von Kleinigkeiten die alle aus der schlimmen
Richtung kommen, ist wohl doch die nützlichere, könnte die packendere
sein.
Vor Jahren (heute sieht man's weniger) gab es auf Sparbüchsen, die man
von Geldinstituten zur Anfeuerung des Sparwillens bekam, öfter das Symbol
einer Biene. Aber bei Menschen wie Harry und Elke ist von der
Doppelsymbolik dieses Tierchens nur der Fleiß vorhanden. Der freilich in
ausschweifendem Maße, denn mit jeder Überstunde mehr kann Harry mehr
haben - mehr sein, nach der gängigen Auffassung - Hast du was (das heißt:
Kaufst du was), so bist du was. Die andere Bienentugend, die der
Sparsamkeit und Vorratshaltung, fehlt ihnen gänzlich Sie können nur zum
Teil dafür: Denn einerseits sind sie geprägt. Ein kurzer Blick auf
Harrys Mutter, die mit ihrem Einschränkungsdenken der „guten alten
Zeit" ins andere Extrem verfallt und an diesem Sohn nicht gut
gehandelt hat, lässt das wenigstens ahnen. Andererseits ist das Vorzeigen
von Neuerworbenem zu sehr zum üblichen Imponiergehabe aller Schichten (um
mit Recht das Wort „Klassen" zu vermeiden) geworden; dies um so
starker manchmal, je mehr es einer nötig hat. Während irgendein gut
verdienender Rechtsanwalt sich ohne weiteres in ausgefransten Jeans in
eine Elternversammlung begibt - im Mercedes freilich - kommen Elke und
Harry natürlich mit dem Besten, was sie haben, dorthin oder zum Amt oder
zur Party der Freunde, denn: Man braucht sich nicht zu verstecken.
Außer diesem gewissen Komplex, den sie beizeiten auf die Kinder übertragen,
haben Schenks keine besonderen Probleme. Die Welt ist in Ordnung. Harry
genießt seine Ernährerrolle wie ein Leittier, das seiner Herde stolz die
besten Futterplätze präsentiert, sich dafür natürlich auch gewisse
Rechte nimmt, und Elke ist das Herz ja der eigentliche Leib der Familie.
Keines ihrer Kinder würde sich auch nur einen Tag von ihnen wegsehnen.
Sie haben nichts zum Abfangen, nichts zum Gegensteuern, weder materiell
noch ideell, als mitten im fröhlichen, ratenverschuldeten Neuanfang die
Arbeitslosigkeit sie kalt auf dem Punkt Null erwischt. Um so mehr ist
jeder Zahlungsaufschub, jeder Defekt, jede bisher kaum wahrgenommene
kleine finanzielle Verpflichtung ein neuer Schlag. Diese chronische
Mittelschwindsucht relativ minuziös und realistisch darzustellen, war
gewiss eine Absicht dieses Spiels. Sie ist, folgt man ihr einmal direkt im
Rechnerischen, auch ein geradezu spannender Vorgang.
Auch die neue Art von verwalteter Existenz, in die der Arbeitslose mit
seinem neuen Zustand eintritt, ist schildernswert. Viel zu wenige machen
sich noch von der Prozedur, den Durchgangsstationen von Arbeitsamt und
Arbeitssuche, eine hinreichend genaue Vorstellung, und auch dies liefert
dramatisches Konfliktmaterial, keineswegs nur Ballast.
Drittens geht es um eine innere Demontage. Es gilt zu zeigen, wie jemand,
dessen Selbstverständnis im Erwerbs-, Konsum- und Familienleben nur auf
einer Säule ruht, so leicht ins Wanken gerät, wie träge und ungelenk er
auf Erschütterungen reagiert. Dieser Strang führt in die Tiefe. Hier
wird die Partnerin, in ähnlichem Rollenverständnis verhaftet, gleich mit
ins Wanken gebracht, und die Kinder sind die eigentlich Geschüttelten
dabei, weil sie die Stöße am wenigsten vorhersehen können.
Viertens - in reagierender Handlung - die Umwelt: Sie zieht sich, mit oder
ohne Vorwand, mitwenigen Ausnahmen wie etwa dem Freundespaar Renate/ Günther,
hinter die sicheren Linien zurück. Häme und Teilnahme liegen da nicht
weit auseinander. Nachbarschaft bleibt selten gute Nachbarschaft. Und
immer wieder das Vorurteil, das auch Harr/s Vorurteil war, man müsse als
Arbeitsloser ja doch irgendwie auch ein bisschen selbst .mit schuld sein.
Es fehlt auch nicht an Überfällen von Leuten, die wie Aasgeier selbst
aus dieser Situation noch etwas herauszuschlagen hoffen, einem Kredithai
zum Beispiel, der auch zum Inventar der Wirklichkeit und - nicht nur in
die überhitzten Dämpfe einer Autorenküche gehört.
Schließlich der Überlebenskampf einer Familie, die trotz mancher Fehler
ihrer Einzelmitglieder viel Kraft und viel Fähigkeit zum Durchhalten, zum
Durchkommen hat und dies nicht zuletzt dank eines guten Berliner
Mutterwitzes.
Dem Berliner hat ja, sofern er sich noch unreflektiert verkörpert, das
Schicksal so etwas gegeben wie die besondere Fähigkeit, „zu sagen, wie
er leidet", literarisch gesprochen. Man könnte auch sagen, sein
Mundwerk, das er weniger hält als andere und das eine besonders prägende
Kraft besitzt, ist sein spezielles Organ zum Überleben; seine Sprüche,
seine Bilder, manchmal Lebenskürzel geradezu, können zu Waffen werden
gegen den ersten Ansturm des Chaos. Sie haben, auch in ihrer Komik, etwas
Rettendes.
Deshalb, weil in diesem Film wenigstens eine kleine Hoffnung bleiben soll,
hätte man ihn ins Berlinische geradezu transponieren müssen, wenn sich
nicht ohnehin das Ausgangsmaterial innerhalb dieser Stadt ergeben und
angeboten hätte.
Was andererseits die statistische Seite der Arbeitslosigkeit betrifft, so
gibt es in Berlin Berufsgruppen, in denen sich die Lage gegenüber dem
Bundesgebiet noch erheblich zuspitzt. Aber Statistik ist nicht das
Hauptanliegen dieses Films. Sonst hätte berücksichtigt werden müssen,
dass es mehr arbeits-lose Frauen als Männer gibt. Es hätte auch eine
Hauptfigur über fünfzig, oder durch Krankheit oder Unfall in der
Erwerbsfähigkeit gemindert, gewählt werden müssen.
Jugendarbeitslosigkeit (mehrfach behandelt in letzter Zeit),
arbeitsuchende Ausländer, Massenarbeitslosigkeit bei Betriebsschließung
- alles Stichworte, die für große Probleme stehen und als solche auch
ganz oder teilweise schon Sujet von Fernsehwerken wurden. - Wir nahmen
einen Fall (und er kam uns auch manchmal unter), der zwar für viele
stehen kann, nicht jedoch mit Gewalt „repräsentativ" sein will.
Seine Arbeitslosigkeit ist eine „ganz normale Arbeitslosigkeit"
(man möge die böse Wortverbindung aus Deutlichkeitsgründen
entschuldigen) und eine individuelle, ohne erzwungenen Ausweis
gesamtgesellschaftlicher Bezüge. Harry ist 34 Jahre jung und in der Fülle
seiner Kraft und seines Selbstbewusstseins, als ihn, zum ersten Mal in
seinem Leben, so etwas ereilt.
Er ist auch in seiner Schicht ein Individuum, kein „Klassenangehöriger",
wie es überhaupt ratsam ist, Arbeiter nicht partout mit Proletenstempeln
und ähnlichen Klischees in Geschmack und Verhalten zu versehen. Je mehr
mit solchen gearbeitet wird, um so weniger muss man auf wirklich
hinschauende und hinhörende Beschäftigung mit Arbeitern schließen. Vom
Grundsatz her sind die Schenks also eine unverwechselbare, individuelle
Familie. Was, bei strikter Einhaltung dieses Grundsatzes, dann trotzdem
als typisch auffällt, tut es wohl nicht von ungefähr.
Typisch ist zum Beispiel manches am Konsumverhalten. Man kann diese
Handlung in zweiter Linie auch als Konsumgeschichte sehen. Andererseits
als Geschichte der Erschütterung eines festgefahrenen Rollenverständnisses,
das gerade in Arbeiterkreisen noch besonders gilt.
Zum Schluss noch kurz ein paar Grundsätze, die die Arbeit mitbestimmten.
Es ging darum: die Einheit der Familiengeschichte nicht zu sprengen,
die Figuren, auch in ihren Fehlern, zu lieben, ihnen eine kleine Hoffnung
mitzugeben und die Fähigkeit, ein wenig hinzuzulernen, die Kinder nie in
eine Art Nebenhandlung zu drücken, sondern sie wie heimliche Hauptrollen
zu behandeln und mit alledem noch unterhaltsam, vielleicht hier und da
komisch zu sein, weil nichts so schlimm sein kann, als dass man es nicht
auch einmal mit einem lachenden (nicht verlachenden) Auge betrachten könnte
(hierzu Berlinertum usw. siehe oben). Keine leichte Aufgabe, wenn es dabei
auch noch eine Reihe interessanter Realien aus dem Umfeld der
Arbeitslosigkeit einzubringen gibt - aber eine spannende.
(Quelle:
Das Fernsehspiel im ZDF, Information und Presse/Öffentlichkeitsarbeit,
Heft 32, März bis Mai 1981)
Layout:
Rosemarie Kuheim
Bearbeitet:
30. November 2023
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