Lockruf des Goldes
1975
Inhalt
Dass es Gold in Alaska gab, war bekannt. Aber keiner der Goldfunde vorher und nachher hat die Gemüter so bewegt, wie der am Klondike, einem Zufluss des Yukon, einem unscheinbaren Bach, in dem die Indianer bis dahin ihre Lachse zum Trocknen für die Wintervorräte gefangen hatten. An keiner Stelle im ganzen Stromgebiet des Yukon lag das Gold so dich wie hier. Eine einzige Schaufel voll goldhaltigem Sand erbrachte eine Ausbeute an Goldstaub und Goldkörnern im Wert von achthundert bis tausend Dollar, auch heute noch eine ansehnliche Summe, geradezu überwältigend aber in einer Zeit, in der man einen reinwollenen Herrenanzug für vier Dollar kaufen konnte und eine reichliche warme Mahlzeit 25 Cent kostete.
Als die Nachricht von den Goldfunden am Klondike in den Pazifikhäfen Seattle und San Francisco eintraf, steckte Amerika in den "lustigen neunziger Jahren". An das Lustige daran erinnert man sich gern, das andere ist meistens vergessen. Es war die Zeit von P.T. Barnum, von Buffalo Bill, des Humoristen Mark Twain, der Gibson-Girls; und Fitzsimmons hatte soeben Corbett k.o. geschlagen. Im Übrigen war es die Zeit, in der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer wurden.
Es war eine Zeit, in der Geldverdienen als das erstrebenswerteste Ziel des Daseins galt und alle Welt Angst hatte, einmal ohne Geld sein zu müssen. Geld und Besitz zu erwerben, galt geradezu als Erfüllung eines hohen moralischen Anspruchs, ähnlich dem, für das Vaterland zu sterben. Armsein war fast schon eine Schande. Kein Wunde also, dass halb Amerika verrückt wurde, als im hohen Norden Alaskas auf einem Bach zentnerweise Gold gewaschen wurde. Bürgermeister verließen ihre Rathäuser, Kaufleute schlossen ihre Läden, Ärzte ließen ihre Patienten im Stich und Prediger ihre Gemeinden. Ein New Yorker Buchhalter nahm sich das Leben, weil es ihm nicht gelang, das Geld für die Reise nach Alaska zusammenzuborgen. Zu zehntausenden überquerten Männer und Frauen zu Schiff, zu Pferde, zu Fuß Kontinente und Meere, um in das gelobte Land zu ziehen. Das gelbe Metall wurde zum Hexeneinmaleins des Glücks.
Einer von diesen Zehntausenden, die sich im Herbst 1897 auf dem Marsch zu den Goldgebieten machten, war ein junger Mann, der vor kurzem noch zur See gefahren war. Im kommenden Jahr wiederholt sich zum hundertsten Mal sein Geburtstag. Es war Jack London, geboren am 12. Januar 1876 "auf der falschen Seite der Schienen", wie man in San Francisco sagte: Quer durch die Stadt lief ein Schienenstrang. Auf der einen Seite lagen die Banken, Hotels, Kaufhäuser, Theater, auf der anderen die Fabriken und Wohnbezirke der arbeitenden Klasse. Dort war Jack London in Armut aufgewachsen. Als er sich auf dem Weg zu den Goldfeldern befindet, ist er ein 21jähriger Landstreicher, Matrose, Trinker, Dieb, Zuchthäusler, der in seinem Seesack Bücher von Darwin, Marx und Milton mitschleppt. Knapp ein Jahr später lässt er sich, halb gelähmt von mangelhafter Ernährung, im offenen Boot den Yukon hinab 2500 Kilometer weit durch zum größten Teil unberührte Wildnis bis zur Mündung in die Bering-See treiben. Als Schiffsheizer erarbeitet er sich dann den Heimweg. "Außer meinem Skorbut", schrieb er in einem seiner Briefe, "brachte ich nichts mit nach Hause." Er wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass der Vorrat an abenteuerlichen Erlebnissen, den er mitbrachte, 18 Jahre lang zum Geschichtenschreiben ausreichen sollte. In dem Alaska, wie Jack London es kennenlernte, gab es keine Supermärkte, in denen man sich den täglichen Nahrungsmittelbedarf besorgen konnte. Hier ging es hautnah ums Überleben. Wer bestehen wollte, musste selbst das Geschäft des Tötens übernehmen und sich mit dem Gewehr sein Essen beschaffen. Wem das nicht gelang, der verhungerte eben.
(Quelle: Broschüre Das Fernsehspiel im ZDF, Dezember 1975 - Februar 1976, S. 19-23, herausgegeben vom Zweiten Deutschen Fernsehen, Informations- und Presseabteilung)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 16. Dezember 2020
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