Wienerinnen
1974
Inhalt
Bei dem Namen Hermann Bahr, der vor vierzig Jahren - am 15. Januar 1934 - starb, denken wir heute zunächst und meist nur an sein Lustspiel "Das Konzert". Dabei beherrschte Bahr, der bei Max Reinhardt Regisseur und am Burgtheater in Wien Dramaturg war, die Technik des Stückeschreibens so virtuos, dass er neben einem umfangreichen Erzählwerk nicht weniger als 40 Gesellschaftskomödien präsentierte, denen er durch seine fast frivolen Themen, seine Charakterisierungskunst und seine pointierten Dialoge einen raschen Erfolg sichern konnte. Außerdem veröffentlichte Bahr eine Reihe kluger literaturkritischer Essays zu den Stilfragen seiner Zeit.
Sein fast unbekanntes Lustspiel Wienerinnen beschäftigt sich mit den "Emanzipationsproblemen" einiger reicher Wiener Frauen der Jahrhundertwende. Dabei demonstriert Bahr, dass das Verhältnis der Geschlechter von der Kraft der einzelnen Persönlichkeit abhängt. Die selbstsichere Marie, die die Verlobung ihres abgewiesenen Verehrers Eduard als Beleidigung empfindet, wird ihren Max zeitlebens gängeln, während die sanftere Daisy ihre ganze Energie einsetzen muss, um den mit patriarchalischen Vorurteilen reich gesegneten Josef schließlich zu überzeugen, dass eine Ehe eine gleichwertige Partnerschaft sein muss.
Unser Unbehagen werden wir heute nicht verleugnen können bei Bahrs Versuch, die Bemühungen zu intellektueller Auseinandersetzung in den sogenannten Salons durch ironische Karikatur auszuspielen gegen den unreflektierten männlichen Fleiß seines Helden Josef Ulrich. Wienerinnen gewinnt über die amüsant zugespitzten Situationen hinaus einen besonderen Reiz durch die Wiederbelebung der historischen Jugendstil-Umwelt.
(Quelle: Broschüre Das Fernsehspiel im ZDF, Heft 3, Winter 1973/74, Seite 18, herausgegeben vom Zweiten Deutschen Fernsehen, Informations- und Presseabteilung)
Layout: Rosemarie Kuheim Bearbeitet: 11. November 2020
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