Der richtige Mann 

1981

  

Filmliste Dieter Berner

 

  

 

Regie

Dieter Berner

Drehbuch

Hilde Berger, Dieter Berner

Produktion

Neue Studio Film GmbH, Wien / Gemeinschaftsproduktion von ORF und ZDF

Kamera

Frank Brühne

Musik

Wolfgang Puschnigg

Redaktion

Alfred Nathan (ZDF), Werner Swossil (ORF)

Länge

- Minuten

Ur-/Erstaufführung

21.12.1981, 21:20 Uhr, ZDF

Genre

Fernsehfilm

  

  

  

Darsteller

Rolle

Wolfram Berger

Karl Hirnschall

Lisa Mühlmann

Traude

Heinz Petters u. Inge Toifl

Traudes Eltern

Erhard Koren

Toni

Hilde Berger

Miriam

Carlos Traffic

Tierhändler

Tom Krinzinger

Verkaufsdirektor

Manfred Lukas

Lagerleiter

     

       

Inhalt

Es geht darum, wie sich einer verkauft. Das heißt, eigentlich nicht nur einer, sondern zwei: ein Mann und eine Frau. Er verkauft sich einer Firma, damit er sich seine Frau und die Befriedigung einiger anderer vitaler Bedürfnisse leisten kann. Beide sind nett, überdurchschnittlich begabt wie wir alle und würden ganz gerne aus der Reihe tanzen.

Er, Schauspieler an einer Avantgardebühne, der mit seiner geringen Gage zwar im Rampenlicht, aber dafür am Rande der Gesellschaft existiert, hat diese Alternative zum Normalen eines Tages satt und versucht sich, auch seiner jungen Freundin zuliebe, als Vertreter für Suppenwürfel, um mit den allgemeinen Konsum- und Lebensgewohnheiten mithalten zu können. Seine Vitalität wehrt sich dagegen. So steht für ihn auf der einen Seite der Zwang, ökonomisch zu funktionieren, auf der anderen die Lust, eben nicht zu funktionieren. Auf der einen Seite das Geld und eine Arbeit, die mit ihm selbst nichts mehr zu tun hat, auf der anderen die Not, die damit verbunden ist, wenn man diese Arbeit ablehnt und nur das tut, was einem Spaß macht. Auf der einen Seite der Versuch, ein bisschen vernünftig und erwachsen zu sein, auf der anderen die fast unbewusste Tendenz, diesen Versuch zum Scheitern zu bringen. Das ergibt tragikomische Szenen.

Der zur bürgerlichen Existenz zurückgekehrte Schauspieler macht illegale Geschäfte, täuscht sich über das Ausmaß seiner Schulden und Abhängigkeiten hinweg. Aus kleinen Betrügereien wird eine große Unterschlagung, aus seiner Beziehung zur Freundin, der er mit seinem Berufswechsel zu einem sorgenlosen Leben verhelfen wollte, eine Fessel für beide, die sie nicht ertragen.

Während er immer mehr in den Strudel seiner teils legalen, teils illegalen Geschäfte gerät, langweilt sie sich zu Hause und sucht bald Abwechslung bei einem Tierhändler mit Hang zur Magie. Die Möbel müssen wieder verkauft werden, und nicht lange nach der Hausstandgründung treibt sich in der neuen Wohnung zwischen Suppenwürfelkartons und den restlichen Habseligkeiten des jungen Paares verschiedenes Kleingetier herum, das sich die Frau inzwischen beim Tierhändler besorgt hat. Die persönlichen Beziehungen zerbrechen schneller als die Abhängigkeit von der Firma. Der "richtige Mann" kann nicht kündigen, weil sonst seine illegalen Geschäfte auffliegen würden. Erst nach vier Jahren beendet er das Arbeitsverhältnis, das ihm nur vorübergehend aus einer Geldnot helfen sollte, durch Flucht in den Süden.

An einem kalten Neujahrsmorgen vernichtet er wie in einem symbolischen Befreiungsversuch den Rest seiner mitgeführten Ware und wirft sich von einer Mole ins Meer.

 

Wie die Geschichte entstanden ist (von Hilde Berger):

1972, im Jahr, in dem unsere Filmgeschichte beginnt, gab es in Wien eine rege Avantgarde-Theaterszene. Freie Gruppen aus der 68er-Bewegung entstanden, arbeiteten nach den neuen Grundsätzen der Mitbestimmung. Dieter Berner war Mitglied des Kollektivs "Theater der Courage", eine der wenigen Gruppen, die sogar über eine feste Spielstätte verfügten. Ich arbeitete in einer der Gruppen, die ohne "Haus" waren und auf der Straße, in Cafés oder sonstwo spielten. 1972 führten wir auf einem gigantischen Autofriedhof am Stadtrand Wiens Turrinis "Rozznjogd" auf. Geld brachte die Arbeit in den freien Theatergruppen kaum ein, dafür aber das gute Gefühl, eine Arbeit zu tun, die Sinn hat und hinter der man mit seiner ganzen Person stehen kann. Die meisten von uns waren finanziell auf irgendwelche Nebenjobs angewiesen.

 

Ich erinnere mich an den Schauspieler G., der unsere Theatergruppe für immer verließ, als er für drei Monate einen Job als Hosenverkäufer annehmen wollte, um seine desolate Familiensituation wieder in Ordnung zu bringen. Während der ehemalige Tänzer heute immer noch in einem düsteren Gewölbe in der Innenstadt Hosen verkauft, betrügt ihn seine Frau in der gemeinsamen, luxuriös ausgestatteten Wohnung mit ausgeflippten Künstlern. 1977, als es unsere Theatergruppen längst nicht mehr gab - Dieter Berner drehte gerade die dritte Folge der "Alpensaga" - stießen wir auf die Geschichte des Vertreters H., der sich vor Gericht wegen Unterschlagung von eineinhalb Millionen Schilling verantworten musste. Der ehemalige Textil-Verkäufer hatte sich aufgrund eines Inserates, das ihm bei selbständiger Arbeit schnell viel Geld versprochen hatte, um einen Vertreterjob bei einem multinationalen Konzern beworben. Wie seine Kollegen begab er sich bald auf die gefährliche Gratwanderung zwischen Verkäufergeschicklichkeit und Kriminalität. Er überließ den von den Supermärkten bedrohten Kleinhändlern Waren gegen Barzahlung billiger, sicherte dadurch der Firma den Umsatz und sich selbst das nötige Bargeld für alles, was den Lebensstandard eines freien Geschäftsmannes ausmacht. Sechs Jahre lang konnte er die Unterschlagung geheim halten, dann hielt er dem psychischen Druck nicht mehr stand und stellte sich. Seine Ehefrau, die er nie in seine Schwarzgeschäfte eingeweiht hatte, verließ ihn zu einer Zeit, in der er noch als tüchtiger und erfolgreicher Reisender galt. Die Parallelität in den Geschichten faszinierte uns. Es erschien uns legitim, dem Vertreter H. ein Doppelleben als Schauspieler anzudichten, da wir diese Berufskombination oft angetroffen haben. Eine Geschichte über Karl Hirnschall zu erzählen, hieß für uns unter anderem, von jemandem zu berichten, der auf der Bühne einen Platz für seine Träume hatte und der diesen Spielraum aufgab, um schließlich an den Glücksträumen unserer Gesellschaft zu scheitern.

 

 

(Quelle: Broschüre Das Fernsehspiel im ZDF, Information und Presse/Öffentlichkeitsarbeit, Heft 35, Dezember 1981 bis Februar 1982)


  

 

 

 

 

  

   

   

   

   

   

   

    

   

   

  

Layout: Rosemarie Kuheim

Bearbeitet: 1. Mai 2024

  

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